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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Zitat ein: Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten. Ihr Vater hatte das gerne verwendet. Momentan fühlte sie sich auch wie ein Zwerg und außerdem ziemlich unterbelichtet.
    Wieder ertönte die Stimme von Sonja Ruf: »Zukunft, ha! Von welcher Zukunft reden wir? Die Stowassers dieser Welt werden immer gewinnen. In der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft.«
    »Und die Sonja Rufs dieser Welt werden immer verlieren, weil sie zu den falschen Mitteln greifen. Weil sie Gefühl und Verstand verwechseln. Beides falsch einsetzen. Und zum falschen Zeitpunkt!«, rief Irmi.
    »Das stimmt nicht, ein fühlendes Wesen wird immer auch denken. Aber das Denken darf nie das Gefühl übertrumpfen.«
    Ach, Sonja, wie kann ich dir bloß helfen?, dachte Irmi. Am liebsten hätte sie Sonja Ruf in die verwaschenen Augen gesehen und noch einmal versucht, die Mauer zwischen der militanten Tierschützerin und der Welt einzureißen.
    Sonja Rufs Stimme näherte sich. Irmi war sich fast sicher, dass sie aus dem Raum kam, in dem Sepp die Kröte gerettet hatte. Sonja Ruf würde wohl kaum davon ausgehen, dass sie durch das Loch flüchten konnte. Sie war zwar schlank, aber um da durchzugelangen, hätte sie schon eine Echse oder Schlange sein müssen.
    Endlich war Irmi an der geöffneten Tür dieses Raumes angekommen. Das Licht aus dem Gang erhellte als spitzes Dreieck den Boden und endete just da, wo Sonja Ruf mit dem Rücken zur Wand stand.
    »Ich verwehre Ihnen schon wieder eine moraltheoretische Diskussion«, sagte Irmi nun leiser. »Ich weiß, ich bin mehr der profane Typ. Hängt mit meinem Beruf zusammen. Frau Ruf, bitte erzählen Sie mir alles. Kommen Sie bitte mit mir nach draußen!«
    Sonja Ruf rührte sich nicht. Sie stand an der Wand wie jemand, der auf seine Exekution wartete. Irmi machte einen Schritt in den Raum hinein und streckte ihr in einer hilflosen Geste die Hand entgegen. Dabei hatte sie den Blick fest auf Sonja Ruf geheftet.
    Plötzlich spürte Irmi, dass sie nicht allein waren. Sie blickte zum Boden und zur Decke, und dann öffnete sie ihren Mund. Zu einem tonlosen Schrei.
    Da war die Mamba.
    Riesig, gewaltig, bedrohlich, züngelnd.
    Offenbar glaubte Sonja Ruf einen Moment lang, Irmis Zögern ausnutzen zu können, und rannte los. In diesem Augenblick fuhr die Mamba auf sie herunter. Biss zu, schnellte zurück. Sonja Rufs Gesicht zeigte nichts als Ungläubigkeit, ein paar Sekunden lang. Dann fasste sie sich an die Schulter, die Augen weit aufgerissen.
    Sie jagt in der Bewegung etwas Bewegtes. Fünfundzwanzig Stundenkilometer. Zwei Minuten, fünf Minuten – von irgendwoher schossen diese Informationen in Irmis Gedanken. Unendlich langsam ging sie die wenigen Schritte auf Sonja Ruf zu, nahm die Frau am Arm, den Blick immer noch zur Decke gewandt.
    In Zeitlupe schob Irmi sie zur Tür, die Strecke war länger als eine Erdumrundung auf Höhe des Äquators. Viel länger! Die Zeit zerrann zu einer Ewigkeit. Gerade hatte Irmi die Tür hinter sich und Sonja Ruf zugezogen, da donnerte von innen die gewaltige Schlange gegen die Tür. Im selben Moment brach Sonja Ruf zusammen, sprachlos und doch nicht fühllos.
    Zwei Minuten, fünf Minuten und dann noch fünfzehn Minuten. Zahlen spielten Ringelreihen. Irmi rannte die Gänge entlang, stürzte die Treppe hinauf – geradewegs hinein in eine Riege von Kollegen und den Notarzt.
    »Schlangenbiss, Schwarze Mamba. Sie hat nur fünfzehn Minuten«, schrie Irmi den Mann an.
    Der Notarzt zögerte keine Sekunde, riss sein Handy heraus, forderte den Hubschrauber an und mit einem zweiten Anruf Serum. »Dendroapsis, macht uns alle Zugänge frei!«, brüllte er ins Telefon.
    »Wo?«, rief er Irmi zu.
    »Die Treppe runter, den Gang entlang, aber Vorsicht, da liegen jede Menge Kisten. Sie ist im vorletzten Raum auf der linken Seite.«
    Der Notarzt rannte los, gefolgt von zwei Sanitätern, die unter ihrer Trage schwankten. Irmi blickte sich um. Kathi kam auf zwei Krücken angehüpft, neben ihr Tina Bruckmann. Beide sahen aus, als hätten sie die Geisterbahn oder die Wilde Maus auf der Wiesn nicht vertragen. So ganz verstand Irmi das alles nicht, auch nicht, warum Kathi ein herzhaftes »Scheiße« ausstieß und auf Irmis Fuß deutete. Erst jetzt registrierte sie, dass sie in einer Blutlache stand, ihr ganzer Bergschuh war geflutet von Blut. Natürlich, die verdammte Kiste.
    Die Besatzung des zweiten Rettungswagens war sofort zur Stelle und schob Irmi in den

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