Mordswald - Hamburgkrimi
dünner
Schweißfilm lag auf seiner Stirn, und jetzt, wo sie selbst frisch geduscht war,
fiel ihr sein Geruch, der von einem langen Abend in der Kneipe, von Sex und
Lust und Falafel um halb zwei erzählte, unangenehm auf. Unwillkürlich musste
sie an Max denken, der stets wirkte, als sei er gerade frisch aus der Dusche
und seine Kleidung aus der Reinigung gekommen, irgendwie steril und unnahbar,
und der sie trotzdem manchmal auf eine Art berührte, wie kaum jemand anders es
schaffte; mit seiner Stimme, seinem Blick, der Art, wie er den Kopf schräg
legte. Hastig wischte sie den Gedanken beiseite.
Lutz blinzelte, als ihm der Duft von frischem Kaffee in die
Nase stieg. Er drehte sich auf den Rücken und stopfte sich ein Kissen unter den
Nacken. Lina drückte ihm einen Becher Kaffee in die Hand.
"War das dein Chef?"
Lina nahm einen Schluck Kaffee. "So ähnlich. Auf jeden
Fall muss ich noch mal los."
Lutz sagte nichts, doch seine Miene sprach Bände, und Lina
konnte es ihm auch nicht verdenken. Auch sie hatte sich einen ruhigen Tag
vorgestellt, vielleicht ein Spaziergang zur Elbe, wo sie den großen
Containerschiffen beim Wellenmachen zusehen konnten, zufällig alte Bekannte
treffen, ein Kaffee, oder zwei oder drei, an einer der Strandbars und dann …
die Seele baumeln lassen, der Zeit beim Stillstehen Gesellschaft leisten.
Doch jetzt ließ der Gedanke an Katja Ansmann ihr keine Ruhe.
Als sie das Haus verließ, war es Viertel vor zehn. In der U-Bahn
war es angenehm leer und kühl, und auch das Polizeipräsidium am
Bruno-Georges-Platz wirkte, als sei die Hälfte der Menschen, die hier
normalerweise arbeiteten, vom Sommerloch verschluckt worden.
Weder Hanno noch einer der anderen Kollegen waren in ihren
Büros. Ihr fiel ein, dass Hanno gestern irgendetwas von einer Familienfeier
gemurmelt hatte, Schwiegermutters Geburtstag oder so ähnlich, und Sebastian sah
sich vielleicht die DVDs mit den Bildern aus den Überwachungskameras an. Oder
auch nicht. Und Max? Von Max wusste sie nur, dass er irgendwo in Winterhude
wohnte und Single war. Was zum Teufel hielt ihn also davon ab, heute zu
arbeiten?
Seufzend schaltete sie ihren Computer ein. Während das
Betriebssystem hochfuhr und die Verbindung zum Server herstellte, holte sie
sich vom Automaten im Flur einen Kaffee. Sie checkte zuerst ihre E-Mails, dann
loggte sie sich in die Polizeidatenbank ein und tippte den Namen "Ansmann,
Johannes" ein. Sie bekam die Daten, die bei der Meldebehörde registriert
waren: Johannes Ansmann, 59 Jahre alt, verheiratet, zwei Töchter, ein Sohn. Als
Berufsbezeichnung war Bankier angegeben. Johannes Ansmann lebte in Blankenese.
Lina kannte die ruhige Straße mit den riesigen, uneinsehbaren Grundstücken, auf
denen sich große Villen verbargen. Mit Elbblick. Bis auf ein paar
Ordnungswidrigkeiten in letzter Zeit wegen zu schnellen Fahrens war im
Polizeicomputer nichts über den Freund ihres Vaters gespeichert. Sie versuchte
es mit "Ansmann, Katja", erfuhr jedoch nichts, was sie nicht bereits
gewusst hätte. Sie gab beide Namen in verschiedene Suchmaschinen und Netzwerke
ein. Ziemlich weit oben in der Liste der angezeigten Treffer entdeckte sie
Katjas Namen auf der Homepage der IHK Hamburg. Lina klickte den Link an und
stellte fest, dass Katja Ansmann Anfang des Jahres bei der IHK einen Vortrag
zum Thema "Personalmanagement und Social Networking" gehalten hatte.
Beginn neunzehn Uhr.
Hatte die Frau nicht angeben, am Donnerstagabend bei einem
Vortrag der IHK gewesen zu sein? Allerdings war sie erst gegen halb eins wieder
zu Hause gewesen. Ziemlich lange für den Besuch eines Vortrags mitten in der
Woche, fand Lina. Sie klickte auf das Programm und suchte nach der
Veranstaltung vom Donnerstagabend. "Unternehmenskultur und Social
Media" von Sonja Richter. Lina runzelte die Stirn. Über der Ankündigung
stand in roter Fettschrift: Vortrag kurzfristig verschoben . Und dann: "Wir bitten, alle
eventuellen Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Sollten Sie unseren Newsletter
abonniert haben, werden wir Sie umgehend informieren, sobald ein Ersatztermin
feststeht." Sieh mal an, dachte Lina, die gute Frau Ansmann hat also
gelogen. Und wenn sie erst um halb eins zu Hause gewesen war, was von der
Babysitterin bestätigt worden war, hätte sie reichlich Zeit gehabt, ihren Lebensgefährten
im Wald zu erschlagen.
Lina lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück, wippte
hin und her und spann ihren Gedanken weiter. Philip Birkner war am Donnerstag
mit seiner
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