Mordswald - Hamburgkrimi
setzte sich aufrecht hin und schnappte sich Block und
Stift.
"Es gibt eine Lebensversicherung?"
"Ja, eine Risikoversicherung auf Gegenseitigkeit. Wenn
einem etwas zustößt, ist der andere der Nutznießer." Er machte eine Pause.
"Damit der Junge versorgt ist, wissen Sie."
"Und wieso wissen Sie darüber Bescheid?"
"Ich habe ihnen die Police verkauft. Ich bin
Versicherungsvertreter", fügte er überflüssigerweise hinzu. "Als das Kind
unterwegs war, habe ich mit Philip darüber gesprochen. 'Mensch', hab ich
gesagt, 'wenn dir was passiert, denk doch bloß mal nach.' Man kann ja wirklich
nie wissen. Eigentlich hatte ich den beiden eine Kapitallebensversicherung
empfohlen, Sie wissen schon, auch als Absicherung für das Alter, aber das
wollte Katja wohl nicht. Nur eine Risikoversicherung haben sie dann genommen.
Ist ja auch günstiger, gerade bei jungen Leuten."
Lina runzelte die Stirn. Sie hätte nie gedacht, dass jemand
wie Katja Ansmann überhaupt eine Lebensversicherung abschloss und dann auch
noch bei den monatlichen Beiträgen herumknauserte. War ihre Familie nicht reich
und gewieft genug, um selbst in Krisenzeiten noch genügend Privatvermögen übrig
zu behalten? Kannten solche Leute nicht genügend Tricks und Schlupflöcher, um
auf jeden Fall ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen? "Wie hoch ist denn
die Deckungssumme?"
"Drei Millionen Euro."
Lina musste schlucken. Ob sich diese Summe für Katja Ansmann
genauso gewaltig anhörte wie für sie?
"Wissen Sie, ich hatte das mit der Versicherung ja fast
vergessen, jedenfalls war es nicht das Erste, woran ich dachte, als ich die
Nachricht von meinem Bruder hörte. Aber heute Morgen rief Katja bei meinen
Eltern an, ich war gerade da und ging ans Telefon. Sie wollte wissen, was wir
uns wegen der Beerdigung vorstellen, also vor allem unsere Eltern, aber dann
fragte sie mich nach der Versicherung, und was sie einreichen müsse, um sich
das Geld auszahlen zu lassen und wie lange das wohl dauern würde." Der Mann
holte tief Luft, und Lina meinte fast zu spüren, wie er die Tränen
zurückdrängte. "Mein Bruder ist noch nicht einmal unter der Erde, und da
fragt die schon nach dem Geld!"
Lina hörte, wie er sich die Nase putzte. Im Hintergrund war
Stimmengemurmel zu erkennen, entweder der Fernseher oder das Ehepaar Birkner,
das sich leise unterhielt.
"Dabei wollte sie die Versicherung gar nicht haben!
Philip hat sie überredet, das hat er mir später mal erzählt. Ist ja alles über
ihn gelaufen, Katja kannte ich damals ja gar nicht richtig, bevor das Kind da
war." Er schwieg kurz. "Na ja, eigentlich kenne ich sie immer noch
nicht richtig. Ich weiß nur, dass sie viel Geld hat, von ihren Eltern, wissen
Sie. Und jetzt kann es ihr gar nicht schnell genug gehen!" Jetzt hörte Lina
deutlich die Empörung aus der Stimme des Bruders heraus. "Schlimm, so was,
ganz schlimm."
Sie schwiegen einen Moment, dann fragte Lina: "Und Sie
meinen also, das sei verdächtig?"
"Und ob ich das meine! Der Dame sollten Sie mal ein
bisschen auf den Zahn fühlen, ein kaltes Aas ist das, das kann ich Ihnen
sagen."
"Ich dachte, Sie kennen Katja Ansmann eigentlich gar
nicht?"
"Tu ich auch nicht, aber mein Bruder hat mir so das eine
oder andere erzählt. Wussten Sie zum Beispiel, dass die beiden seit Leons Geburt
kein einziges Mal miteinander geschlafen haben?"
Nein, das hatte Lina nicht gewusst, aber irgendwie
überraschte sie das auch nicht – falls es der Wahrheit entsprach.
"Das hat Ihnen Ihr Bruder erzählt?"
"Ja. Wir haben … hatten ein gutes Verhältnis, schon
immer. Wir sind nämlich nur elf Monate auseinander, wissen Sie. Ich hab alles
mitgekriegt … wie er sich verliebt hat, wie er ganz aus dem Häuschen war, als
Katja schwanger war … Aber wie die mit dem Kleinen umgeht! Früh morgens in den
Kindergarten, danach zur Tagesmutter. Sogar am Wochenende hat sie ihn oft
weggegeben. Oder Philip mit ihm allein gelassen. Er musste immer wieder
Verabredungen absagen, weil er wegen dem Kleinen zu Hause bleiben musste."
"Wissen Sie, ob es in der Beziehung gelegentlich zu Streitereien
oder Auseinandersetzungen kam?"
"Davon hat Philip nie etwas erzählt, aber er ist … ach
verdammt, war auch nicht der Typ, der sich streitet. Er hat lieber klein beigegeben, und zwar
öfter, als gut für ihn war."
"Wie meinen Sie das?"
"Na, was glauben Sie, wer in der Beziehung die Hosen
anhatte? Es wurde gemacht, was Katja wollte, aus und Ende. Diese Wohnung in
Rothenbaum zum Beispiel … Sie glauben
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