Mordswald - Hamburgkrimi
woraus sie
schloss, dass sie es vermutlich mit dem Förster zu tun hatte. "Ich arbeite
aktiv an der Verbrechensverhütung", sagte sie. "Lina Svenson, Kripo
Hamburg", fügte sie hinzu, als sie das verdutzte Gesicht des Mannes sah,
und deutete mit einem Kopfnicken auf den Mann, der immer noch reglos auf dem
Boden lag. "Würden Sie sich bitte um diesen Herrn dort kümmern?" Der
Mann auf dem Boden hatte mittellange, schmuddelig-graue Haare, trug eine grüne
Jacke und Hose, die ihn im ersten Moment ebenfalls wie einen Förster wirken
ließen, doch die Schuhe waren einfach und abgetragen, und er roch, als hätte er
seit Tagen weder sich noch seine Kleidung gewaschen. Lina schätzte ihn auf Ende
fünfzig, und als der Förster sich über ihn beugte, wandte sie sich wieder der
Frau zu. "Frau Leyhausen? Können Sie mich hören? Es ist alles in Ordnung,
Sie sind jetzt in Sicherheit!"
Aus dem Schreien wurde ein Schluchzen, und endlich schlug die
Frau die Augen auf. Sie waren braun.
"Ich bin Lina Svenson. Wir haben gerade telefoniert.
Sieht so aus, als wäre ich gerade noch rechtzeitig gekommen."
Die Frau sagte nichts, aber ihr Schluchzen wurde leiser.
Tränen liefen ihr übers Gesicht. Auf der rechten Wange hatte sie einen Kratzer,
das helle T-Shirt war mit Zweigen, Blättern und Dreck übersät, die Jeans hatte
dunkle Flecken an den Knien und beim linken Wanderstiefel war der Schnürsenkel
aufgegangen. Zwei Meter weiter lag, inmitten von Brennnesseln und Giersch, ein
abgewetzter Rucksack, und auf dem Fußweg entdeckte Lina ein kaputtes Handy. Mit
halbem Ohr hörte sie den Förster auf den Mann am Boden einreden. Ihr Blick fiel
auf die Spaziergängerin, die sie vorhin überholt hatte, und die jetzt neugierig
in einiger Entfernung stehen geblieben war und das Spektakel mit großen Augen
beobachtete.
"Haben Sie ein Handy dabei?", fragte sie schroffer
als beabsichtigt. Die Frau nickte. "Dann machen Sie sich nützlich und
rufen Sie einen Krankenwagen."
Franziska Leyhausen richtete sich mühsam auf und blickte zu
dem Mann hinüber, auf den sie mit einem Stein eingeschlagen hatte. Als sie ihn
so reglos am Boden liegen sah, wurde sie blass. "Er ist tot, nicht
wahr?"
Eine Stunde später war Lina wieder in ihrem Büro am
Bruno-Georges-Platz. Sie hatte sich einen frischen Kaffee aus der Cafeteria
geholt und sich gerade hingesetzt, um nach dem Tohuwabohu wieder zu sich zu
kommen, als die Tür aufgerissen wurde und Hanno hereinstürmte.
"Gut gemacht, Lina! Das nenne ich perfektes Timing. Ein,
zwei Minuten später, und wir hätten noch eine Leiche gehabt."
Lina spürte, wie sie rot wurde. Zu allem Überfluss sah sie,
dass Max es ebenfalls bemerkte, und wurde noch röter.
"Diese Frau Leyhausen sitzt draußen im Flur, zusammen
mit einer Kollegin von der Streife. Sie scheint uns ja einiges zu erzählen zu
haben, und der Arzt hat auch nichts dagegen." Hanno schien vor Tatendrang
fast zu platzen. "Lina, du unterhältst dich gleich mal mit ihr, zusammen
mit Alex."
"Und der Mann, dieser Hinrichsen?", fragte sie.
"Das ist doch der Zeuge, mit dem Max schon einmal gesprochen hat,
oder?"
Hanno nickte. "Der ist noch im Krankenhaus, die
Platzwunde musste genäht werden, ist aber nicht weiter gefährlich. Die wollen
ihn bis morgen dort behalten, zur Beobachtung." Er kratzte sich am Kopf.
"Sieht aus, als könnte das heikel werden mit dem. Er ist ganz aus dem
Häuschen, keiner bekommt ein vernünftiges Wort aus ihm heraus. Außerdem scheint
er ziemlich renitent zu sein. Im Krankenhaus wollten sie ihm die schmutzigen
Klamotten ausziehen, aber er hat sich mit Händen und Füßen gesträubt." Er
sah Max an. "Ich dachte, dass du vielleicht mal mit ihm reden könntest. Du
kennst ihn ja schon, und außerdem …" Offensichtlich wusste er nicht recht,
wie er sich ausdrücken sollte, "… bist du doch unser Talent für schwierige
Fälle."
"Ach ja?" Max hob die Augenbrauen, doch Hanno war
bereits wieder verschwunden, ebenso stürmisch, wie er gekommen war, ein ganz
ungewohnter Anblick bei dem fast einen Meter neunzig großen Mann mit seinem
ansehnlichen Kugelbauch. Max und Lina sahen sich an.
"So, so, du bist also unser Mann für schwierige
Fälle", grinste Lina. "Wo hat er das denn her?"
Max zuckte die Achseln. "Blühende Fantasie?" Er
schnappte sich sein Jackett. "Ach übrigens", grinste er zurück, als
Lina sich bereits außer Gefahr wähnte, "Rot steht dir gut."
Während sie mit Frank Jensen in einem offiziellen Verhörzimmer
gesprochen
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