Mordswald - Hamburgkrimi
fand im Hotel Steigenberger statt,
alles superschick und riesengroß, aber die Angestellten mussten so ziemlich
ihren gesamten Freundeskreis anschleppen, damit es nicht ganz so leer aussah.
Bestimmt die Hälfte der Gäste hatte nichts mit Computern, oder zumindest nichts
mit dieser Firma, zu tun." Franziska Leyhausen schwieg, offensichtlich
versuchte sie, sich die Einzelheiten jenes Abends wieder in Erinnerung zu rufen.
"Und dort hat Ihr damaliger Freund Sie Philip
vorgestellt?", drängte Lina sanft.
"Genau. Er hat mir kurz die Hand geschüttelt und zwei,
drei Worte mit mir gewechselt, und das war's dann auch schon." Sie verzog
das Gesicht. "Den Rest des Abends habe ich versucht, mich möglichst wenig
zu langweilen. Es gab eine eigene Cocktailbar, und der Barkeeper hat mir so ein
ekliges Gesöff angedreht. Wahrscheinlich tierisch teuer, aber einfach
widerlich." Sie runzelte die Stirn. "Tut mir leid, das tut wohl
nichts zur Sache."
"Kennen Sie Frank Jensen?", fragte sie Frau
Leyhausen.
"Wen?" Die Frau runzelte erneut die Stirn.
"Ein Kollege von Daniel Vogler, Informatiker wie
er."
"Ach, den meinen Sie. Kennen ist übertrieben. Auf dieser
Feier haben wir, glaube ich, kurz mal Hallo gesagt, aber das war's auch schon.
Ich glaube nicht, dass ich ihn auf der Straße wiedererkennen würde."
Lina erwog kurz, Franziska Leyhausen zu fragen, ob sie etwas
über die Vorfälle wusste, die zur Insolvenz der Softwarefirma geführt hatten,
entschied sich jedoch dagegen. Das Thema musste jetzt warten. "Kommen wir
zurück zum Donnerstagabend. Sie sind in der Waldschänke, Philip Birkner sitzt
neben Ihnen, Sie stellen fest, dass Sie sich schon einmal begegnet sind. Was
passiert dann?"
Franziska Leyhausen schloss die Augen und holte tief Luft.
Als sie anfing zu sprechen, blickte sie auf die Tischplatte vor sich. Sie
beugte sich leicht vor, schob die Hände zwischen die zusammengepressten Beine
und zog die Schultern zusammen. "Solange die Musik spielte, passierte
nicht viel, außer, dass Philip mich zu einem Glas Wein einlud. Babsi fragte er
natürlich auch, aber sie lehnte ab, sie verträgt keinen Alkohol." Sobald
die Musik vorbei war, verabschiedete sich die Freundin. Sie sei krank, erklärte
Frau Leyhausen, Morbus Crohn, und wisse nie, wann der nächste Schub käme. An
diesem Abend war es wieder einmal so weit.
"Ich hatte ein schlechtes Gewissen, sie allein nach
Hause fahren zu lassen, aber sie versicherte mir, das sei völlig in
Ordnung." Sie schwieg. "Sie hat ja gesehen, dass ich mich ganz gut
amüsierte."
Mit dem Amüsieren sei es dann weitergegangen, Philip hatte
einen Wein nach dem anderen bestellt und zum Schluss noch Grappa. Sie hatten
sich gut verstanden, jedenfalls am Anfang, als sie sich noch halbwegs normal
unterhalten konnten, aber zum Schluss sei sie ziemlich betrunken gewesen.
Franziska Leyhausen wurde rot, und ihre Stimme wurde immer leiser, als sie
weitererzählte.
"Irgendwann haben wir angefangen, ziemlich wild
rumzuknutschen, und dann mussten wir gehen, gut möglich, dass die Leute von der
Waldschänke uns sogar rausgeschmissen haben. Wie wir da rausgekommen sind, weiß
ich nicht. Filmriss." Sie schwieg. "Ich erinnere mich nur daran, dass
wir irgendwann vor der Kneipe standen. Draußen war es angenehm kühl, und ich
dachte, ein Spaziergang würde jetzt guttun. Frische Luft, Bewegung … Mir fiel
dieser Aronstab ein, den ich am Tag zuvor entdeckt hatte, und ich schlug vor,
wir könnten ja etwas spazieren gehen, und ich würde ihm einen Aronstab zeigen,
so etwas hat er bestimmt noch nicht gesehen." Lina dachte an den Zeugen,
der die beiden auf dem Parkplatz vor der Waldschänke beobachtet hatte und
angegeben hatte, die Frau wollte Birkner "ihren Stab zeigen".
"Philip war ganz begeistert." Franziska Leyhausen
schüttelte den Kopf. "Wir waren total albern, haben die ganze Zeit
herumgekichert und rumgeknutscht und sind durch den Wald getorkelt wie zwei
Teenager." Sie errötete. "Nicht, dass Sie denken, ich würde so etwas
andauernd machen, und natürlich weiß ich, dass es total schwachsinnig war, aber
…"
Lina nickte der Frau verständnisvoll zu. "… aber
manchmal überkommt es einen einfach", sagte sie.
Franziska Leyhausen sah sie an, dann schüttelte sie den Kopf.
"Ich wünschte, ich hätte mir in dem Moment ein Taxi gerufen. Oder
wenigstens meinen Verstand eingeschaltet." Sie holte tief Luft. "Wir
sind also durch den Wald getorkelt. So betrunken ich war, ich habe tatsächlich
die Stelle mit dem Aronstab
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