Mordwoche (German Edition)
an Alex richtete, zu überspielen: „Pass mir gut auf meinen Augenstern auf, hörst du! Sonst bekommst du Ärger mit deinem Schwiegervater!“ Alex merkte, dass das wohl so viel wie, „Willkommen in der Familie“ heißen sollte. „Versprochen, Herr Merz.“ „Karl!“ „Versprochen, Karl.“ Dann war das Thema durch.
Nach dem Essen räumten Katrin und Susanne den Tisch ab und nutzten die Zeit in der Küche dafür, um über die Ereignisse des vergangenen Tages zu sprechen. Die Kinder hatten Frank und Alex überredet, ihnen beim Aufbau der elektrischen Eisenbahn zu helfen, die sie gestern vom Christkind bekommen hatten. Marie und Lukas waren mit Feuereifer bei der Sache und hatten vom Spielen hochrote Backen bekommen. Ihnen war so warm geworden, dass sie nur noch in Unterhemd und Strumpfhosen inmitten der Eisenbahn-Baustelle saßen. Alex und Frank hatten sich von der Begeisterung der Kinder anstecken lassen und waren beide froh, einen unbeschwerten Familiennachmittag zu erleben.
Karl beobachtete das Spiel der Enkel und es hätte nichts gegeben, was ihn im Augenblick glücklicher gemacht hätte. Der Vormittag war anstrengend gewesen und Karl war müde. Katrin hatte ihrem Vater die Erschöpfung angesehen und ihm auf dem Sofa die Kissen bequem zurechtgelegt. Hier konnte er die Beine hochlegen und sich ein wenig ausruhen. So viel wie heute war Karl schon lange nicht mehr unterwegs gewesen und so schwerwiegende Entscheidungen wie in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht getroffen. Karl schloss die Augen.
Er wollte so wenige Personen wie möglich in seinen Plan hineinziehen. Sicher, nach den Feiertagen würde man in der Firma bemerken, dass ein beträchtlicher Betrag aus dem Safe fehlte. Aber das war immer mal wieder vorgekommen, wenn Karl Geschäfte machte, die nur mit einem Handschlag besiegelt wurden und von denen das Finanzamt nichts wissen musste. Außerdem war er immer noch der Chef und niemandem Rechenschaft schuldig! Das Silvester-Foto aus der Kiste, in der Elfi die aktuellen Aufnahmen so lange aufbewahrte, bis sie Zeit fand, sie in das Album zu kleben, würde auch niemand vermissen. Elfi hatte schon lange keine Fotos mehr eingeklebt. Für ihr gemeinsames Leben schien sie sich nicht mehr zu interessieren. Erst jetzt bemerkte Karl Merz, dass er die Vorzeichen ihrer zerbrochenen Ehe übersehen oder einfach ignoriert hatte.
Adriano Felice hatte ihm versprochen, sich um die Sache zu kümmern. Er habe für solche Geschäfte einen zuverlässigen Mann an der Hand. Aber auch Adriano brauchte nicht alles zu wissen. Dieser Freundschaftsdienst war ein lukratives Geschäft für den Italiener, aber Karl war sehr daran gelegen, dass dieser letzte Coup mit Adriano totsicher funktionierte. Und er wusste als Geschäftsmann, dass man verlässliche Mitarbeiter gut bezahlen und sie für ihren Einsatz loben musste. Die Komplimente genoss der Venezia -Wirt, selbst ein Meister auf diesem Gebiet, und sicherte seinem Freund absolute Diskretion zu. Dass er die „Unterlagen“ an seinen Vertrauensmann weitergeben würde, daran zweifelte Karl nicht. Und Adriano versprach auch, an die Todesanzeige zu denken.
Ob seine Töchter verstehen würden, warum er so handeln musste, wusste Karl nicht. Sie würden die Briefe erst nach seiner Beerdigung bekommen. Seine Mädchen sollten ihren Vater nicht als Opfer in Erinnerung behalten. Schlimm genug, dass der Krebs ihn so schwächte. Es war Karl ein großes Bedürfnis, seinen Töchtern eine Erklärung zu geben für das, was sie kaum würden glauben können.
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Nachdem sie aus dem Goldenen Hirsch heimgekommen waren, hatten es Gerda und Otto König gerade noch geschafft, die Beerdigungsgarderobe anzuziehen, bevor die Arbeit im Salon wieder weiterging. Es blieb ihnen keine Zeit, ausführlich über ihre Entdeckung im Hotelzimmer des Italieners zu sprechen. Zum Glück würde Georg Haller gleich noch vorbeischauen, dachte die Chefin, die der ganze Vorfall sehr aufgewühlt hatte. Sie merkte, dass ihre Undercover-Mission im Goldenen Hirsch nicht das war, was sie jeden Tag aushalten konnte. Obwohl sich ihr Mann anfangs nur ungern auf die Zimmerdurchsuchung eingelassen hatte und nur mitgekommen war, um seine Frau nicht alleine einer wie auch immer gearteten Gefahr auszusetzen, so erfüllte es ihn jetzt auch mit Stolz, dass Gerda und er maßgeblich dazu beitragen würden, einen Verbrecher dingfest zu machen. Im Gegensatz zu seiner Frau hatte
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