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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Pater Malinowsky in der kleinen Missionskirche einen Gottesdienst ab; da saßen alle die Bondels friedlich in der Kirche, nachdem sie drei Jahre lang Orlog gemacht hatten. Der Pater sprach sehr schön über das gelungene Friedenswerk. Mir persönlich war es ein merkwürdiges Gefühl, mit all diesen Leuten, die drei Jahre gegen uns gekämpft hatten, zusammen in der Kirche zu sitzen. Während des Gottesdienstes hatte ich unauffällig alle abgelieferten Gewehre auf eine Karre laden lassen und fuhr um 10 Uhr abends nach Ukamas zurück. Es war eine herrliche Fahrt! Endlich hatte man den Siegespreis, um welchen so lange gerungen war, in Sicherheit. Wie viele Gedanken gingen einem bei dieser Fahrt durch den Kopf! Besonders mußte ich all der tapferen Reiter gedenken, denen diese Gewehre gehört hatten und die ihr Leben verloren hatten! Denn es waren ja alles unsere Gewehre, und mit jedem Gewehr war der Tod eines braven Reiters verbunden. Am 24. früh war ich in Ukamas. Es war gerade der Geburtstag des Oberstleutnant v. Estorff, und so konnte ich ihm als schönste Geburtstagsgabe die Gewehre der Bondels aufbauen; in unserer Weihnachtsstube wurden sie rings an den Wänden aufgestellt, in der Mitte der Stube der Weihnachtsbaum – eine eigenartige Weihnachtsfeier!« (Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika, hrsg. vom Großen Generalstabe, Bd. 2, S. 294 ff.)
    Am 31. März 1907 wurde auf Order des Kaisers der Kriegszustand in Südwestafrika aufgehoben.
    Der Grundbesitz und das Vieh aller aufständischen Stämme der Herero und Hottentotten wurde enteignet. Gesetze wurden erlassen, die es den Eingeborenen verboten, Grundstücke zu erwerben, ebenso Großviehzucht zu betreiben und Reittiere zu haben. Ausnahmen waren nur mit der Genehmigung des Gouverneurs möglich. Mehr als zehn Eingeborenenfamilien durften nicht zusammen auf einem Grundstück wohnen. Die Bestimmungen zielten darauf, die Afrikaner wirtschaftlich zu entmachten, sie zugleich zu zwingen, Arbeit bei den Weißen anzunehmen. Darüber hinaus sollte, um die wirtschaftliche Entmachtung und den Zwang zur Arbeit wirksam zu machen, auch die traditionelle Stammesorganisation zerstört werden.
    Alle Afrikaner mußten ab dem Alter von acht Jahren eine Paßmarke tragen. Wer ohne eine solche Paßmarke angetroffen wurde, konnte von jedem Weißen verhaftet werden. Zusätzlich gab es ein sogenanntes Dienstbuch, in das die Dienstverhältnisse eingetragen sein mußten. Afrikaner ohne Arbeitsvertrag waren völlig rechtlos und konnten als Landstreicher bestraft werden. Dadurch wurde eine indirekte Form der Zwangsarbeit eingeführt.
    Im Jahr 1907 gab es sechzehntausend Gefangene, die in Konzentrationslagern zusammengefaßt waren oder Zwangsarbeit, hauptsächlich beim Bahnbau, leisten mußten.

Die wunderbaren Wolken

    An einem Sonntag kam Gottschalk nach Ukamas. Zwei Monate später als vorgesehen. Er bezog einen Bretterverschlag in dem aus luftgetrockneten Ziegelsteinen gebauten Stationshaus, das nur aus einem Raum bestand. Es gab noch einen zweiten Bretterverschlag, in dem schlief Leutnant Gerlich, der Stationschef. Zwischen diesen beiden Bretterverschlägen lagen nachts dichtgedrängt zweiundzwanzig Mann. Ein Doppelposten saß auf dem Dach des Hauses. Niemand wollte im Freien schlafen, aus Angst, bei einem plötzlichen Überfall erschossen zu werden. Hier ist die vorderste Front, pflegte Gerlich zu sagen.
    Gottschalk lag wach, er dachte an Wenstrup, an Morenga und manchmal auch an Katharina. Die stickige Luft war erfüllt von den Fürzen und dem Schnarchen der Schlafenden. In der nächsten Nacht zog Gottschalk aus, legte sich abseits vom Stationshaus auf die Erde, eingewickelt in seinen Woilach, und schlief unter freiem Himmel. Gerlich behauptete, das sei auf diesem Himmelfahrtsposten Selbstmord.
    Diese Kaffer können uns riechen, über Meilen. Das war Geruchs Theorie, mit der er die Erfolge der Aufständischen zu erklären suchte: Bei günstigem Wind riechen die unsere Patrouillen über Meilen.
    Im Februar 1906 wurde Gottschalk nochmals nach Warmbad befohlen. Dort wurde er abermals von einem Stabsoffizier zu dem Überfall Morengas auf die Wagenkolonne verhört. Man befragte ihn, ob er irgendwelche Angaben über die Stärke und die Operationspläne der Südabteilung gemacht habe, was Gottschalk verneinte. Ob er es für denkbar halte, daß Morenga ihm gegenüber absichtlich falsche Angaben über das Marschziel der Aufständischen gemacht habe, um so die deutschen Truppen in

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