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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Gottschalk verabschiedet, in der Überzeugung, ihn bald wiederzusehen. Schon hatte er sich in Keetmannshoop um eine Nama-Grammatik bemüht, aber im ganzen Ort, auch auf der Missionsschule, keine auftreiben können. Allein über die Rheinische Mission konnte man eine solche Sprachlehre beziehen. Die aber mußte erst in Deutschland bestellt werden, und mit ihrem Eintreffen in Warmbad war nicht eher als in drei Monaten zu rechnen.
    Wie will man ein Land kolonisieren, wenn man sich nicht einmal die Mühe macht, die Eingeborenen zu verstehen, hatte Gottschalk einmal in Keetmannshoop gefragt. – Mit Hilfe eines Dolmetschers und einer Nilpferdpeitsche, hatte Leutnant von Schwanebach geantwortet, einer international verständlichen Sprache. Eine für den Schweinebauch geradezu ungewöhnlich schlagfertige Antwort, fand Gottschalk, der nicht wissen konnte, daß es sich um einen alten Schutztruppenwitz handelte.

    In Warmbad wurde Gottschalk vom Bezirksamtmann Oberleutnant Graf Kageneck damit beauftragt, die wenigen Pferde, die nicht von Morengas Leuten abgetrieben worden waren, zu mustern und möglichst schnell wieder auf die Beine zu bringen. Die in Warmbad stationierten Reiter stiefelten, wollten sie die Umgebung aufklären, zu Fuß durch die Landschaft.
    Die Pferde waren abgemagert, die meisten lahmten, einige hatten die Räude, andere waren völlig durchgeritten, und fast alle hatten eiternde Verletzungen, die von Streifschüssen oder Sporen herrührten. Einem Wallach entfernte Gottschalk eine Bleikugel aus dem Schenkel. Zwei Pferde ließ er erschießen. Etliche der Zugochsen, die ebenfalls erbärmlich aussahen, waren nicht gegen die Rinderpest geimpft. Am Ort fehlte es an Serum. Gottschalk stellte einen detaillierten Futterplan zusammen, denn am Ort gab es nur noch wenige Sack Mais und Hafer, und die Weiden rings um Warmbad waren abgefressen. Es war noch immer nicht abzusehen, wann Nachschubtransporte durchkommen würden, da die Kapregierung die Grenzen geschlossen hatte und darüber hinaus der Weg zum Oranje, dem Grenzfluß, immer wieder von den Gebrüdern Morris und ihren Leuten unterbrochen wurde.
    Drei Wochen nach seiner Ankunft in Warmbad wurde Gottschalk überraschend zu Oberleutnant Graf Kageneck befohlen, und zwar im kleinen Dienstanzug, den Gottschalk auf dem Herritt gar nicht hatte mitnehmen können. Ein etwas ungewöhnliches Ansinnen von Kageneck, der für sein legeres Regiment in Warmbad von den meisten Reitern geschätzt wurde. Kageneck, ein weit über die Bezirksgrenzen hinaus berühmter Säufer und Morphinist (einer jener dämlichen Schutztruppensprüche: Der große Säufer Kageneck ißt Erbsensupp mit Schweinespeck), genoß den Ruf, einer der erfolgreichsten Unterhändler mit unzufriedenen Hottentotten-Kapitänen zu sein. Er konnte jeden (und das waren durchaus keine Weichmänner, was Alkohol anbetraf) unter den Tisch trinken, ohne dabei zu unfairen Mitteln oder Tricks zu greifen (Glas heben, ex und hopp über den Rücken). Je mehr er trank, desto größer wurde seine Einfühlsamkeit in die Probleme der Hottentotten, denen er dann meist das Du anbot. Da er diesen Verständnisgrad in seiner Besoffenheit meist gegen vier Uhr nachmittags zu erreichen pflegte, drängten sich zu dieser Zeit alltäglich eine große Zahl Bittsteller vor seinem Amtssitz, einem ziemlich öden Backsteinbau. Manchmal mußte am darauffolgenden Tag der Bezirksamtssekretär Gustav Fett die den Hottentotten gemachten Zusagen unter Androhung der Prügelstrafe wieder abpressen. So beispielsweise, als Kageneck einem Hottentotten-Obmann nach einem nächtlichen Saufgelage gegen Morgen versprach, ihm und seiner Sippe das inzwischen im Besitz der Kolonialgesellschaft befindliche Land wieder zurückzugeben. Ein andermal, während des Bondelzwartaufstandes im Jahr 1903, gab er zu vorgerückter Stunde einem Posten den Befehl, einem gefangenen und für den nächsten Tag zum Tode verurteilten Bondel die Fesseln zu durchschneiden, dem armen Kerl, wie er wörtlich sagte, etwas zu essen und zu trinken zu geben, und dann solle der Posten beide Augen zudrücken. Kageneck sagte ausdrücklich: beide Augen. Der Posten tat, wie ihm befohlen, und der Bondel verschwand in der Nacht.
    Am nächsten Morgen, stocknüchtern, wollte Kageneck den Posten wegen schweren Wachvergehens und Gefangenenbefreiung erschießen lassen, was nur durch das Eingreifen eines Leutnants verhindert werden konnte, der auf sein Ehrenwort versicherte, der Posten habe lediglich auf Befehl

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