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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Beginn des Aufstandes befanden, die Ernennung nicht mitgeteilt werden. Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß irgend jemand, wahrscheinlich ein Offizier, die Nachricht absichtlich zurückgehalten hat.
    Nach der Fahnenflucht von Wenstrup, wie es in einem Bericht der Schutztruppe vom 1. 2. 1905 heißt, wurde an seiner Stelle gemäß § 1911 BGB ein Abwesenheitspfleger bestellt, dem die Differenz zwischen dem Gehalt als Ober- und Unterveterinär in Höhe von 1508,33 M ausgezahlt wurde. Das Reichskolonialamt hatte dann, nach Prüfung der Rechnungen, mit einer Verfügung vom 20. 11. 13 No. M. 2718. 13F. die Wiedereinziehung des Betrages angeordnet, da man zur Ansicht gelangt war, daß die Ernennung nicht rechtskräftig geworden sei. Demgegenüber befand der Pflegschaftsrichter in Keetmannshoop, daß diese Auszahlung durch die Verwaltungskasse des Versorgungszuges II rechtens sei, indem er das Staatsrecht des deutschen Reichs‹ von Laband zitierte, und zwar § 45,4 Anmerkung 4, der besagt, daß mit Empfang des Anstellungsdekrets die Wirkung der Ernennung beginne, also auch das Gehalt zu zahlen sei.
    Die Intendantur der Schutztruppe versuchte nachzuweisen, ebenfalls Laband zitierend (§ 45, 1, S. 421, 4. Auflage vom Jahre 1901), daß die Willenserklärung eines Beteiligten fehle, man also nicht davon ausgehen könne, daß es tatsächlich zu der Ernennung gekommen sei. Es wäre immerhin denkbar, daß der zu Ernennende seine Ernennung verweigert haben könnte. Der Widerspruch erschien der Intendantur lösbar nur, wenn der bestellte Abwesenheitspfleger freiwillig auf den ihm ausbezahlten Differenzbetrag verzichten würde, oder aber man müsse die Absendung des Betrages aus dem Schutzgebiet durch das Gouvernement arretieren und auf Rückzahlung klagen, wobei sich bei einer solchen Klage allerdings wieder die Frage gestellt hätte, wann die Ernennung wirksam geworden wäre und inwiefern eine Ernennung möglich ist, in der es zwar einen Ernannten (existent als Willensäußerung des Staates), zugleich aber auch einen Nichternannten (existent als Person) gibt, woraus sich wiederum die Frage ergibt, ob die Neuschaffung einer Planstelle vom Willen des Staates oder aber von der höchst zufälligen Existenz oder Nichtexistenz einer Person oder gar von deren Zustimmung oder Nichtzustimmung abhängt. Der Einmarsch der südafrikanischen Streitkräfte und insbesondere die Seeblockade des Schutzgebietes beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhinderten leider eine endgültige, juridische Klärung des Falls Wenstrup (seine Fahnenflucht war sehr schnell erledigt worden: fünfzehn Jahre Festungshaft in Abwesenheit), der gute Chancen gehabt hätte, ein Präzedenzfall zu werden, von dem ausgehend man spätere, ähnliche Fälle leichter hätte entscheiden können.

Landeskunde 1
    Wie Gorth das Evangelium predigte,
    sich mit Ochsen besprach und vom
    rechten Weg abkam

    Im Jahr des Friedens, wie das Jahr 1852 von den Herero genannt wurde, da es ausnahmsweise einmal keinen Krieg gab zwischen ihnen und den Hottentotten, kam über den Oranje ein Ochsenwagen ins Land. Zwanzig ausgesuchte Ochsen gingen im Joch, gelenkt von einem Frachtfahrer, der im ganzen Süden bekannt war unter dem Spitznamen: Ochsenfreund. Seine Zunge schnalzte lauter als jede Peitsche. Es war Petrus Matroos, ein Hottentotte, getauft von einem englischen Missionar vor fast fünfzehn Jahren. Dieser Missionar, Rumbuddel genannt, war früher als Vollmatrose auf Segelschiffen gefahren, bis er, nach einem Sturz aus der Takelage, beim Aufschlag eine Stimme hörte: Du sollst mir Seelen fischen. Er musterte ab und ging nach Südafrika in die Nähe des Oranje, wo er versuchte, die Heiden unter den Tisch zu trinken. Wer sich von ihm taufen ließ, bekam den Namen Petrus. Die Rumbuddel hauchte, nach achtjähriger Missionsarbeit, in einem Sessel sitzend ihren Geist aus, vor sich einen Eimer mit Wasser, in dem drei halbvolle Rumflaschen steckten.
    In der Missionsstation Warmbad, in der fünfzig Jahre später der Oberveterinär Gottschalk dem Grafen Kageneck gegenübersitzen wird, warteten seit Tagen die Hottentotten auf diesen Wagen, der aus dem Süden kommen sollte. Viele waren aus weitentlegenen Werften gekommen, hatten Kinder, Hunde und Ziegen mitgebracht und hockten jetzt auf dem sandigen Platz und starrten nach Süden. Endlich tauchte am Horizont der Wagen auf, erkennbar als kleine Sandfahne. Wer laufen konnte, machte sich auf den Weg, dem Wagen entgegenzugehen, von einer Neugierde

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