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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Behauptung verstieg: Aus Bösem kann Gutes werden. Und als Knudsen nach einem Beispiel röhrte, da gab der falsche Prophet ihm und der versammelten Gemeinde ein Beispiel: Wenn man den Herero ein Rind stiehlt, die Tausende von diesen Rindern halten, auf satten Weiden, Rinder, die sie selbst gar nicht verzehren können, die an Altersschwäche sterben, wenn man also eines dieser Rinder stiehlt und dann schlachtet und von dem Fleisch die Kinder des Stammes speist, von denen viele Hungers sterben, aber von dem gestohlenen Fleisch leben könnten, dann sei aus Bösem Gutes geworden. Wenn der Allmächtige es aber zuläßt, daß Kinder sterben, nur damit die Rinder der Reichen weiterleben können, dann ist Knudsens Gott der allmächtige Gott der Rinder, aber nicht der Hottentotten und erst recht kein gütiger Gott. Die versammelten Gemeindemitglieder schnalzten anerkennend mit der Zunge. Der Stamm, der früher vom Rinderdiebstahl gelebt hatte – das Land, das sie bewohnten, war steinig und hatte wenige Quellen –, war durch Knudsen und vor ihm durch Schmelen erst zum Christentum bekehrt und dann davon überzeugt worden, daß Diebstahl etwas Böses sei, darauf stand, nach dem Tod, Verdammnis. Knudsen war ratlos. Die Gemeinde saß stumm und wartete auf seine Antwort. Jahrelang hatte er ihnen gepredigt, der Rinderdiebstahl sei etwas Böses. Er konnte jetzt doch nicht sagen, wenn Kinder dadurch am Leben bleiben, sei es zu rechtfertigen. Einen Augenblick dachte er mit Verbitterung an seinen Ausbilder auf der Missionsschule, der immer gesagt hatte: Der Eingeborene kann nicht logisch denken. Knudsen aber sagte: Auch wenn Kinder dadurch am Leben bleiben, ist es eine Sünde gegen Gott. Die Gemeinde teilte sich sogleich. Fast alle Mitglieder folgten dem falschen Propheten.
    Knudsen, dieser vierschrötige Mann mit der Brust eines ausgewachsenen Elchs, fiel vom Fleisch, schlaflos in der Nacht, begann er, ein Mann des geraden Gedankens, zu grübeln. Sprach er zu seinen verbliebenen fünf Gemeindemitgliedern, verhaspelte er sich oftmals, starrte dann wortlos, seine Predigt unterbrechend, in die Luft, zuckte ängstlich, wenn er angesprochen wurde, zusammen. Dieser Knudsen erinnerte nur noch von fern an den alten Knudsen, und selbst dann konnte man die geknickte Haltung der Gestalt erkennen. Das Fundament, worauf Knudsen, wie er selbst sagte, baute, war Geduld und Glauben, und das war nicht durch die Enttäuschung über die Gemeindemitglieder untergraben worden, die diesem falschen Propheten anhingen, sondern durch den bohrenden Zweifel, ob dieser Prophet nicht vielleicht doch recht habe. Knudsen schrieb von seinen Anfechtungen und Nöten und erbat von der Missionsgesellschaft ein klärendes Wort und eine Argumentationshilfe von einem akademisch gebildeten Theologen. Da Antwort nicht vor einem halben Jahr zu erwarten war, mußte er mit seinem Zweifel und dem selbstgebrannten Schnaps allein weiterleben. Endlich entschloß er sich zu einer Reise zu seinem englischen Kollegen in Pella, dem er sein mit Zweifeln beladenes Herz ausschüttete. Der Engländer, genannt die Rumbuddel, sagte, ihm sei dieses Problem durchaus bekannt, und dieses Problem stelle sich immer wieder, daß Eingeborene, können sie erst einmal die Heilige Schrift lesen, sich durchaus die Stellen herauspicken, die sich gegen die Reichen, dann gegen die Obrigkeit und schließlich sogar gegen die Missionskirche richten. So käme es immer wieder zur Bildung von Sekten. Dieses Problem könnte konsequent nur dann gelöst werden, wenn man den Eingeborenen gar nicht erst Lesen und Schreiben beibrächte. So wie es die Rumbuddel tatsächlich auch hielt.
    Unzufrieden reiste Knudsen wieder nach Bethanien. Er konnte ihn, ehe er das Dorf sah, riechen, den Duft nach gebratenem Fleisch, den ihm der Abendwind entgegentrug. Der ganze Stamm war auf den Beinen, nur die wenigen Getreuen von Knudsens Gemeinde hielten sich hungrig fern. In dieser Nacht wurde der Missionar zum erstenmal durchgeprügelt, als er den Versuch machte, wie gewöhnlich eines seiner jungen Gemeindemitglieder zu besuchen. Und eine Woche darauf reiste er, noch bevor ihn die Expertise eines Tübinger Professors erreichte, nach Norwegen ab.
    Gorth hatte in Deutschland nicht nur die Expertise studiert, sondern war auch in mehreren Disputationen mit einem Theologieprofessor auf die Auseinandersetzung mit dem falschen Propheten vorbereitet worden.
    Drei Tage lang regnete es. Drei Tage saßen Gorth, Petrus und Lukas unter der Plane

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