Morenga
schön und häßlich ist, sondern weil er es als anmaßend empfunden hätte, letztendlich waren auch die Hottentotten Geschöpfe Gottes. Aber zugleich sah er sie mit den Augen der fördernden Mitglieder der Missionsgesellschaft, zahlender Mitglieder, die ja wissen wollten, wem ihre Gelder, ihre abgelegten Paletots und die mühsam gehäkelten Betthäubchen zugute kamen. Und unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, hatte bisher keiner der Hottentotten vor Gorths Augen bestehen können. Bis dieser junge Mann ins Zimmer trat: groß und geradegewachsen, eine hohe freie Stirn, ruhige offene Augen. Diese Gestalt demonstrierte, wie Gorth fand, die veredelnde und bildende Wirkung des Christentums, wie aus einem Wilden ein aufrechter Mensch gemacht werden kann. Mit diesem Lukas konnte man durch deutsche Städte reisen und Missionsvereine besuchen.
Gorth hält eine kurze Einführung, in der er die allgemeinen Aspekte einer Missionsarbeit im südlichen
Afrika hervorhebt. Währenddessen sitzt Lukas bescheiden und ruhig neben ihm am Tisch. Nach einem kurzen Applaus steht Lukas auf und berichtet in einem fehlerfreien Deutsch von den Leiden seiner noch nicht erlösten Stammesgenossen, die noch immer in dem fürchterlichen Glaubensdunkel leben müssen, in den Ängsten einer nie enden wollenden Nacht, in der sich diese armen Seelen bewegen, ständig bedroht von heimtückischen Dämonen, mit einem Chaos in Köpfen und Herzen leben sie in den Tag, die Nacht ist beherrscht von den Geistern Verstorbener, von ruhelosen Widergängern und Blutsaugern. Nur Jesus Christus, der Herr und Erlöser, kann Licht und Liebe in diese Finsternis bringen. Die Zuhörer schweigen erschüttert. Am Eingang wird für die Missionstätigkeit im Namaland gesammelt. Viele der Zuhörer schreiben sich in die ausgelegten Listen als fördernde Mitglieder ein. Junge begeisterte Menschen entscheiden sich spontan, Missionar zu werden. Man wird in Bethanien eine Schule bauen können.
Das Schafsgesicht fragte in Nama den Kirchenältesten, den jungen Lukas, wie denn die Dinge stünden in Bethanien. Aber der schüttelte nur mit dem Kopf, hatte die Frage nicht verstanden und redete mit den gleichen sonderbaren Schnalzlauten, die Gorth zunächst für eine Eigenart der Bondelzwarts gehalten hatte: Als wolle man ein Pferd antreiben oder wie ein altes Mütterchen sein Erstaunen über eine furchtbare Nachricht zum Ausdruck bringen, und manchmal tönte es so dumpf wie beim Entkorken einer Flasche. Diese Sprache wurde wie mit feurigen Zungen gesprochen. Aus Missionar Gorths Mund hingegen kamen dumpf-plumpe Laute wie Landschildkröten gekrochen. Der Verfasser des Lehrbuchs für die Namasprache, mit dessen Hilfe Gorth in einem dreijährigen Selbstunterricht die Sprache der Hottentotten glaubte erlernt zu haben, hatte alle Schnalzlaute, wie sie ihm von einem Reisenden beschrieben worden waren, durch Konsonanten wiedergegeben. Eine neue Sprache war entstanden, die nur Gorth und ein Schüler der Missionsschule in Basel beherrschten. Die beiden hatten sogar, um sich zu perfektionieren, in dieser Sprache korrespondiert.
Lukas sprach, Gott sei Dank, Deutsch. Die Grammatik war zwar holprig, der norwegische Akzent mußte abgeschliffen werden, aber der Wortschatz war reich. Allerdings galt es, Lukas die Bedeutung der fürchterlichen Flüche zu erklären, die er immer wieder in aller Unschuld in seine Erzählungen einflocht. Das war für Gorth besonders quälend anzuhören, da er dabei immer die gespannt schweigenden Zuhörer vor Augen hatte.
Vater, hast du auch Hilfe gegen die Krankheit mitgebracht, sonst fick die Jungfrau Maria.
Dieser Knudsen mußte schon ein sehr eigenwilliger Mann gewesen sein. Gorth würde wohl mit der Arbeit von vorn anfangen müssen. Keine Minute wollte er verlieren, nicht länger müßig herumsitzen, noch heute nacht wollte er nach Bethanien ziehen, der Stätte seines künftigen Wirkens.
Er rief nach Petrus, und Petrus kam, voll wie eine Strandhaubitze, und sagte: Kein Ochse zieht bei Regen. Morgen wird es regnen. Dieser Petrus war, wenn er nicht seine Ochsen lenkte, blau, lag auch tagsüber bei einem Mensch, das ohne Scheu seine Brüste, groß wie Kürbisse, vor sich herumtrug. Gorth vermutete denn auch, daß ebendiese Kürbisse der Grund waren und nicht der Regen, warum Petrus nicht aufbrechen wollte. Da sprach Gorth zu Petrus: Ich will dir Beine machen.
So hörte man noch in der Nacht das Klatschen von Petrus’ Zunge, mühsam nur und schwer. Petrus mußte
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