Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel
selbst hatte ein unangenehmes Loch in der Mitte. Vanye tastete mit der linken Hand herum, um die Liegefläche zu erkunden; seine rechte Hand war schmerzhaft angeschwollen, durchzogen von dem Gift. Er erinnerte sich nicht mehr deutlich an die Behandlung, die er hinter sich hatte; er wußte nur, daß er hier lag, während die Umwelt langsam wieder deutlich wurde, und daß es eine Person war, die sich von Zeit zu Zeit über ihn beugte und andere abwehrte.
Endlich erkannte er, daß diese Person Morgaine war, Morgaine ohne Mantel, in schwarzer Männerkleidung, die sie sehr schlank wirken ließ, darüber die denkbar unpassendste schwarzsilberne
tgihio
-Robe: sie hatte einen barbarischen Geschmack, wie er ihn in ihr nicht vermutet hatte; die Klinge
Wechselbalg
hing über ihrem Stuhl, ihre andere Ausrüstung lag auf dem Boden – ganz und gar unfraulich.
Er starrte sie an, während er seine Gedanken zu ordnen und sich zu erinnern versuchte, wie sie hierher gekommen waren. Aber er brachte es nicht zusammen. Sie blickte ihn an und lächelte gepreßt.
»Nun«, sagte sie, »du wirst den Arm nicht verlieren.«
Er bewegte die verletzte Hand und versuchte die Finger zu krümmen – aber sie waren zu sehr angeschwollen. Ihre Worte erschreckten ihn dennoch, denn der Arm war bis zum Ellbogen beeinträchtigt: er vermochte ihn ohne Schmerzen anzuziehen.
»Flis!« rief Morgaine.
Ein Mädchen trat mit dem Rücken voran ins Zimmer; in den Händen trug sie Handtücher und eine Schale mit dampfendem Wasser.
Unterwürfig knickste sie vor Morgaine, die mürrisch das Gesicht verzog und eine ruckhafte Kopfbewegung zu Vanye machte.
Das heiße Wasser schmerzte. Er biß die Zähne zusammen und erduldete die Kompressen heißer Handtücher und richtete seine Aufmerksamkeit zur Ablenkung auf die Pflegerin. Flis war dunkelhaarig und rehäugig und aufdringlich weiblich. Das tief ausgeschnittene Bauernwams klaffte beim Vorbeugen ein wenig auf, sie lächelte ihn an und berührte sein Gesicht. Ihre Haltung, ihr Benehmen war typisch für so manches Mädchen in einer Burg, die einem niedrigen Klan gehörte oder klanlos war; ein Mädchen, das sich von irgendeinem Lord ein Kind erhoffte, um damit einen ehrenvollen Aufstieg zu schaffen. Sein Same vermochte niemanden zu ehren, doch offensichtlich wandte sie ihre Künste auf ihn an, weil er im Augenblick sowieso keine Gefahr darstellte und außerdem ein Fremder war.
Sie milderte das Fieber mit den Händen und gab ihm verwässerten Wein zu trinken und sprach süße Worte, die eigentlich gar keinen Sinn ergaben. Als ihre Hände seine Stirn berührten, erkannte er, daß sie nichts gegen sein kurzgeschnittenes Haar hatte, das jede vernünftige Frau eigentlich über seinen Charakter und seine Position aufklären und in die Flucht schlagen mußte.
Dann fiel ihm ein, daß er sich ja wohl in der Burg des Leth-Klans befand, in dem Geächtete und Gesetzlose willkommen waren, solange sie die Launen Lord Kasedres über sich ergehen ließen und sich wegen der Befehle, die sie erhielten, nicht zimperlich anstellten. Hier war ein Mann wie er gar nichts Besonderes, war vielleicht nicht weniger angesehen als andere.
Dann sah er Morgaine hinter dem Mädchen stehen; sie blickte ihn über Flis’ Schulter hinweg an, leicht angewidert wegen des ungeschicktbesitzergreifenden Gehabes der anderen. Dann wandte sie sich um und marschierte zum Fenster, wo er sie ohne sich umzudrehen, nicht mehr sehen konnte.
Nun schloß er die Augen, zufrieden, daß sich jemand um die Schmerzen in seinem Arm kümmerte, ohne daß er selbst etwas tun mußte. Er hatte Gesicht verloren, soweit das bei einem Mann überhaupt möglich war – von seinem
liyo
gerettet, einer Frau, und einer solchen Dienerin anheimgegeben.
Die Leth tolerierten Morgaines Anwesenheit, erwiesen ihr sogarvolle Ehren, nach der Pracht der Gastrobe zu urteilen, die man ihr gegeben hatte, und erkannten ihr Lord-Recht an, so daß sie als Gleichgestellte behandelt wurde.
Flis’ Hand begab sich auf Wanderschaft. Er drängte sie weg, unwirsch über eine solche Behandlung in der Gegenwart seines
liyo,
der außerdem noch eine Frau war. Flis kicherte.
Brokat raschelte. Morgaine kehrte mit düster gerunzelter Stirn zum Bett zurück und nickte dem Mädchen kurz zu. Flis war sofort ernüchtert und griff ungeschickt nach Schale und Tüchern.
»Laß die Sachen hier!« befahl Morgaine.
Flis ließ die Sachen auf einem Tisch neben der Tür stehen und entfernte sich mit einer
Weitere Kostenlose Bücher