Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
Kleid entsprach nicht ländlicher Unschuld, sondern war aufgedonnert. Sie winselte, zog den Kopf ein und blickte lächelnd an Morgaine vorbei auf Vanye.
    »Nach dir wird verlangt«, sagte sie.
    »Wohin soll ich kommen?« fragte Morgaine.
    Flis wollte Morgaines Blick nicht begegnen: doch als sie nun direkt angesprochen wurde, blieb ihr keine andere Wahl. Sie hob den Kopf und duckte sich ruckhaft. Sie ging Morgaine nur bis zur Schulter und wirkte geradezu matt neben Morgaines schwarzsilberner Erscheinung. »In den Saal, Lady.« Sie warf Vanye einen zweiten verlangenden Blick zu. »Nur du, Lady. Nach dem Mann wurde nicht gefragt.«
    »Er ist mein
ilin«,
sagte sie. »Was ist der Anlaß?«
    »Meinen Lord kennenzulernen«, antwortete Flis. »Keine Sorge«, fuhr sie fort. »Ich kümmere mich schon um ihn.«
    »Lieber nicht«, sagte Morgaine. »Er kommt sehr gut allein zurecht, Flis. Das wäre alles.«
    Flis blinzelte; sie schien die Intelligenz nicht gerade mit Löffeln gefressen zu haben. Dann entfernte sie sich rückwärtsgehend, machte eine Verbeugung und huschte davon.
    Morgaine drehte sich um und sah Vanye an. »Verzeih mir, daß ich sie fortgeschickt habe«, sagte sie trocken. »Bist du kräftig genug, nach unten in den Saal zu kommen?«
    Er neigte zustimmend den Kopf. Morgaines Bemerkung hatte ihn in Verlegenheit gestürzt, und er überlegte, ob er zornig sein müßte. Dabei wollte er Flis gar nicht. Gegen Morgaines Unterstellung zu protestieren war ungeschickt. Er ignorierte den Seitenhieb daher und bestätigte, daß er sich kräftig genug fühle. Allerdings war er sehr unsicher auf den Beinen. Er hoffte, daß das Gefühl der Schwäche vergehen würde.
    Sie nickte ihm zu und verließ als erste das Zimmer. Draußen entsprach alles ihrer Beschreibung. Der Bau war ziemlich schlecht erhalten, wie eine längst verlassene Festung, die plötzlich wieder besetzt und noch nicht ganz wohnlich gestaltet worden war. Eine Muffigkeit lag in der Luft, eine unschöne Atmosphäre des Schmutzes, ein Nachhauch des Festes von gestern abend, ein Geruch nach Fett und Alter, unverputzten Rissen, Erde und Feuchtigkeit.
    »Wir wollen einfach zur Tür gehen«, schlug Vanye vor, als sie das Erdgeschoß erreichten und er erkannte, daß der Weg links nach draußen führte, zu ihren Pferden, die ihnen eine schnelle, wilde Flucht von diesem Ort voller Verrückter ermöglichen mochten.
»Liyo,
wir wollen hier nicht bleiben. Lassen wir alles da, verschwinden wir einfach, sofort, schnell.«
    »Du bist nicht fit für eine solche Hatz«, sagte sie. »Sonst würde ich auf deinen Vorschlag gern eingehen. Still jetzt. Wir wollen unseren Gastgeber nicht beleidigen.«
    Ohne Begleitung schritten sie durch die langen Korridore und begegneten zuweilen Dienstboten, die wie Bettler aussahen, wie sie zuweilen an die Tore von Festungen kamen und um die drei Tage Unterstützung baten, die ihnen nach dem Gesetz zustanden.
    Es war eine Schande für einen Lord, die Bewohner seiner Residenz so liederlich herumlaufen zu lassen. Dabei war Leths Feste riesig. Ihre Steine waren älter als Morgaines Ritt nach Irien, älter bis in den letzten Winkel. Früher mußte dies ein großartiger Bau gewesen sein, gerühmt für seine Schönheit. Vielleicht kannte Morgaine die Burg aus der damaligen Zeit; jetzt allerdings konnte sie kaum noch Ähnlichkeit damit haben: die Wandteppiche waren verdreckte Lumpen, nackter Boden zeigte sich unter den zerfetzten, schmutzigen Teppichen. Morgaine und Vanye kamen an Korridoren vorbei, aus denen es feucht und vermodert roch, passierten verschlossene Türen, die offenbar seit Jahren nicht mehr geöffnet worden waren. Ratten huschten vor ihren Füßen davon, suchten Schutz in den riesigen Mauerrissen, starrten die beiden mit kleinen, glitzernden Augen an.
    »Wieviel hast du von dem Bau gesehen?« fragte er. »Jedenfalls genug, um zu wissen, daß hier vieles im argen liegt«, antwortete sie. »Nhi Vanye, wie immer deine Blutfehde mit Leth aussehen mag, du bist mein
ilin.
Vergiß das nicht.«
    »Ich habe keinen Ärger mit Leth«, antwortete er. »Vernünftige Leute gehen diesem Klan überhaupt aus dem Weg. Der Wahnsinn verbreitet sich in diesem Bau wie Hefe in einem Brotlaib. Er vermehrt sich und schwillt an. Achte auf deine Worte,
liyo,
auch wenn man dich kränken sollte.«
    Plötzlich sah er das hagere Gesicht des kleinen Jungen in einem Quergang auftauchen, die Schwester neben sich, rattenäugig und spöttisch lächelnd. Vanye blinzelte. Die

Weitere Kostenlose Bücher