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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Panik öffnete er die Augen und umfaßte die Axt, die er im Schoß liegen hatte. Hinter ihr im Raum war alles erstarrt, das spürte sie, sämtliche verstohlenen Bewegungen hatten aufgehört. »Es tut mir leid«, sagte Jhirun und bannte seinen Blick. »Die Wunde — läßt du mich sie behandeln?«
    Er sah sie einen Augenblick lang verwirrt an, und sein Blick wanderte dann kurz durch den Raum. Jhirun überlegte erschrocken, daß er nun vielleicht mitbekam, was sich ringsum getan hatte.
    Dann senkte er zustimmend den Kopf, streckte das verwundete Bein und schob die Decke zur Seite, so daß sie sehen konnte, wo das Leder aufklaffte und das Fleisch eine tiefe Schnittwunde abbekommen hatte. Er zog seinen Dolch mit dem Knochengriff und erweiterte das Loch im Leder, so daß sie an die Wunde herankam. Der Anblick erfüllte sie mit einem Gefühl der Schwäche.
    Sie nahm sich zusammen und ging durch den Raum zu den Regalen, um frisches Leinen herauszunehmen. Jinel trat ihr entgegen und versuchte ihr den Stoff aus den Fingern zu zerren.
    »Laß mich!« fauchte Jhirun.
    »Schlampe!« antwortete Jinel und bohrte ihr tief die Fingernägel ins Handgelenk.
    Jhirun riß sich los und machte kehrt; sie schöpfte frisches Wasser aus dem Eimer in der Ecke und kehrte zu dem Fremden zurück. Ihre Hände bebten, und die Umgebung verschwamm vor ihren Augen, als sie sich ans Werk machte, doch bald wurde sie sicherer. Sie wusch den Schnitt aus und zwängte ein großes Stück Tuch durch die Öffnung und band es von außen straff fest, wobei sie darauf bedacht war, ihm keine Schmerzen zu bereiten. Sie spürte die Blicke ihres Großvaters und Cils und Jinels — sie berührte immerhin einen völlig Fremden.
    Als sie fertig war, legte er eine Hand über die ihre; seine Finger waren schlank und wohlgeformt. Sie hatte nie geglaubt, daß ein Mann solche Hände haben könnte. Die Haut wies Narben auf, ein feines Gewirr von Linien. Sie dachte an sein Schwert und sagte sich, daß er wohl nie mit Werkzeug umgegangen war — seine Hände mochten sich auf das Töten verstehen, dennoch fühlten sie sich so weich an wie die eines Kindes, seine Augen wirkten ähnlich. »Vielen Dank«, sagte er und zeigte keine Neigung, sie loszulassen. Er lehnte den Kopf wieder gegen die Wand. Seine Augen schlössen sich, die Müdigkeit forderte ihren Tribut. Er hob die Lider: er kämpfte gegen die Schwäche.
    »Deinen Namen«, forderte er.
    Man durfte niemals seinen Namen nennen; er verlieh Macht zu Verwünschungen. Aber sie hatte Angst davor, ihm nicht zu antworten. »Mija Jhirun Elas-Tochter«, sagte sie und wagte sich weiter vor: »Und wie heißt du?«
    Aber er antwortete nicht, und das Unbehagen kam von neuem über sie.
    »Wohin wolltest du?« fragte sie. »Bist du mir nur gefolgt? Was hast du gesucht?«
    »Ich wollte leben«, antwortete er mit einer schlichten Verzweiflung, die ihr ans Herz ging. »Ich wollte am Leben bleiben.« Und beinahe wäre er eingenickt, während die anderen auf seinen Schlaf warteten, das gesamte Haus angespannt lauernd, beinahe fünfzig Frauen und ein alter Mann. Jhirun rückte näher an ihn heran, drückte die Schulter gegen ihn, zog seinen Kopf herüber.
    »Die Frau«, hörte sie ihn murmeln, »die Frau, die mir folgt...«
    Er hatte Fieber. Sie legte ihm eine Hand auf die Stirn, lauschte seinen sinnlosen Worten, die denselben verrückten Wegen folgten. Er entglitt ihr, den Kopf gegen ihr Herz gelehnt, die Augen geschlossen.
    Sie starrte ins Leere, begegnete Cils besorgtem Blick, wich den anderen aus.
    Ein kleiner Schlummer, ein wenig Zeit für ihn, dann Gelegenheit zur Flucht. Er hatte ihnen nichts getan, hatte keinen großen Schaden angerichtet und sollte dafür nun von einem Haus voller Frauen und Kinder mit Küchenmessern abgeschlachtet werden — sie wollte nicht, daß dieser Alptraum Barrow-Feste heimsuchte. An einem solchen Herd konnte sie nicht leben, konnte nicht am Feuer sitzen und nähen oder Brot backen oder ihre Kinder hier spielen lassen. Immer würde sie das Blut auf diesen Steinen sehen.
    Der Fremde war kein Gespenst; seine Körperhitze brannte auf ihrer Haut, sein Gewicht drückte ihr gegen die Schulter. Sie hatte sich selbst verloren, hatte jedes Gefühl dafür eingebüßt, wo ihre verrückten Träume endeten, sie versuchte nicht mehr, mit Logik zu handeln. Sie sah, wie die anderen den Mut verloren und sich zum Warten setzten; sie wartete ebenfalls, ohne zu wissen, worauf. Sie erinnerte sich an Anlas Krone und wußte, daß sie

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