Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Hüfte. Er hakte die Scheide einhändig los.
Die Männer gerieten in Panik und bestürmten ihn in der Masse. Urplötzlich wirbelte die Scheide durch den Raum, und die helle Klinge, von beiden Händen geführt, war ein aufzuckender Bogen, der Blut spritzen und Jhiruns Angehörige vor Schmerzen und Entsetzen schreiend zurückfahren ließ.
Und er lehnte einen Augenblick lang schweratmend in seiner Ecke; die frischen Wunden waren die seiner Feinde, die ihm keine hatten beibringen können. Der Fremde setzte sich in Bewegung, und Fwar fuhr zurück, wobei er so hart an Jhiruns Arm zog, daß sie aufschrie, gefolgt von Cils Antwortschrei.
Der Fremde ging langsam rückwärts durch den Raum und nahm die Schwertscheide vom Boden auf, wobei er die Gegner nicht aus den Augen ließ; Jhiruns Verwandte wichen noch weiter zurück. Keiner war bereit, ein zweitesmal gegen die schimmernde Klinge vorzurücken. Auf dem Dachboden rührte es sich erschrocken.
»Was willst du?« hörte Jhirun ihren Großvater hinter sich fragen. »Sag es uns und geh!«
»Mein Pferd«, antwortete er. »Du, alter Mann, sammelst alle meine Sachen ein — alle. Sonst töte ich dich.«
Und keinen Muskel rührte er, während er die Anwesenden anstarrte, das große Schwert in der Hand. Die anderen machten ebenfalls keine Bewegung. Nur der Großvater folgte der Aufforderung des Fremden und schob sich vorsichtig zur Stalltür und öffnete sie.
»Laß sie los!« sagte der Fremde zu Fwar.
Fwar stieß Jhirun von sich fort, und sie machte kehrt und spuckte den Mann an, bebend vor Haß. Fwar tat nichts, sein erzürnter Blick war auf den Fremden gerichtet, und sie entfernte sich von ihm, froher als je zuvor, daß sie einer Sache den Rücken kehren konnte; sie entfernte sich von ihm und trat an die Seite des Fremden, der sie sanft berührt hatte, der ihr nichts getan hatte.
Dort wandte sie sich um und sah sie an, diese primitiven, häßlichen Cousins mit dicken Händen und schlichtem Gemüt und ohne Mut, wenn es riskant wurde. Ihr Großvater war früher ein anderer Mann gewesen; doch jetzt war er allein auf diese Leute angewiesen, auf Räuber, im Grunde nicht anders als die Banditen, für deren Fangen und Aufknüpfen sie die Sumpfbewohner bezahlten — nur daß sich die Banditen eben von den Lebenden ernährten.
Jhirun machte einen tiefen Atemzug, streifte sich das verfilzte Haar aus dem Gesicht, blickte voller Haß auf Fwar und sah dort die Verheißung späterer Rache für seine Scham, Rache an ihr, die er bereits für seinen Besitz hielt. Sie haßte ihn mit einer Intensität, die ihr angesichts ihrer hoffnungslosen Lage beinahe den Atem raubte. Sie war nicht mehr als die anderen; der Fremde hatte sich wohl auf ihre Seite geschlagen, doch aus Stolz und weil das der Rolle eines Königs entsprach, und nicht weil sie mehr darstellte als ihre Cousins.
Er hatte den Dolch fortgeworfen, um das Schwert führen zu können. Langsam bückte sie sich und hob ihn auf, wogegen er keine Einwände erhob; dann ging sie langsam in die andere Ecke und durchschnitt die Schnüre, an denen Würste und weißer Käse hingen. Jinel quiekte entsetzt auf, was oben neues Kindergeschrei auslöste; Jinel unterdrückte ihren Schrei hinter knochigen Händen.
Und solche Schätze sammelte Jhirun vom Boden auf und brachte sie ihm. »Hier«, sagte sie und ließ sie neben ihm auf die Herdsteine fallen. »Nimm mit, was du tragen kannst.«
Dies sagte sie, um ihnen allen zu trotzen.
Die Stalltür ging auf, und Großvater Kein führte das schwarze Tier herein, das in dem engen Raum und vor den vielen Männern nervös wirkte. Der Krieger ergriff die Zügel mit der linken Hand und zupfte am Sattel, um die Festigkeit des Gurts zu prüfen, dabei ließ er die Männer jedoch nicht aus den Augen. »Ich nehme die Decke mit, wenn du nichts dagegen hast«, sagte er leise zu Jhirun. »Wickele die Nahrung hinein und binde sie fest.«
Sie bückte sich unter den entrüsteten Blicken ihrer Verwandten, rollte alles zu einem sauberen Paket zusammen, das sie mit einigen Käseschnüren sicherte und dann auf sein Geheiß hinter dem Sattel befestigte. Dazu mußte sie sehr hochgreifen und fürchtete das große Pferd, doch andererseits freute sie sich, ihm diesen Dienst erweisen zu können.
Und dann trat sie zur Seite, während er an den Zügeln zog und das schwarze Pferd mitten durch die Gruppe zur offenen Tür führte. Niemand wagte ihn aufzuhalten. Draußen, noch immer auf dem Pflaster, das vom ersten Morgennebel
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