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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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wählte, was ich wollte.«
    Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich. »Wie du willst«, sagte sie. Und eine Weile starrte sie ins Feuer, dann wurde das Stirnrunzeln nachdenklich, und sie schaute zu der Gefangenen hinüber, ein Blick, der einen inneren Zwiespalt verriet. Vanye begann zu vermuten, daß in ihrem Geiste etwas Häßliches vorging, etwas, das irgendwie mit ihren Fragen an ihn zu tun hatte; er wünschte, er wüßte, worum es sich handelte.
    »Liyo«,
sagte er. »Es ist anzunehmen, daß das Mädchen harmlos ist.«
    »Ihr wißt das?«
    Sie verspottete ihn in seiner Ahnungslosigkeit. Er zuckte die Achseln und machte eine hilflose Handbewegung. »Ich glaube nicht, daß Roh die Zeit gehabt hat, einen Hinterhalt vorzubereiten.«
    »Die Zeit der Tore entspricht nicht der Weltzeit.« Sie warf ein Stück Rinde in die Flammen und stäubte sich die Hände ab. »Los, wir haben Zeit, in der wenigstens einer von uns schläft, und wir verschwenden sie. Leg dich hin.«
    »Und sie?« fragte er mit einem Kopfnicken in Jhiruns Richtung.
    »Ich spreche mit ihr.«
    »Ruh du dich aus«, drängte er sie nach kurzem Zögern und machte sich innerlich auf ihren unvernünftigen Zorn gefaßt. Morgaine war in dieser Nacht nervös und erschöpft — sie beide waren das. Sie hatte die schlanken Hände fest um die Knie gelegt, verkrampft, bis die Anspannung sichtbar wurde. So müde er war, spürte er doch, daß etwas nicht stimmte.
»Liyo,
laß mich die erste Wache übernehmen!«
    Sie seufzte, als würde ihr mit diesem Angebot ihre ganze Müdigkeit bewußt, das Gewicht des Kettenhemdes, das einem kräftigen Mann zu schaffen machen konnte, tagelange Ritte, die selbst ihn mitnahmen, obgleich er Kurshin war und für den Sattel geboren. Sie legte den Kopf auf das Knie, warf ihn zurück und straffte die Schultern. »Ja«, sagte sie heiser, »ja, damit bin ich gern einverstanden.«
    Sie rappelte sich auf,
Wechselbalg in
der Hand; doch zu seiner Verblüffung reichte sie ihm die Waffe mitsamt der Scheide.
    Nie ging sie ohne diese Klinge. In der Nacht schlief sie mit dem bösen Ding; nie entfernte sie sich von der Stelle, an der es lag, nicht mehr als zwei, drei Schritte, ohne umzukehren und es wieder zur Hand zu nehmen. Im Reiten ruhte die Waffe entweder unter ihrem Knie am Sattel des grauen Pferdes oder am Schwertgurt auf ihren Schultern.
    Er wollte das Schwert gar nicht berühren; trotzdem nahm er es, legte es vorsichtig neben sich, und so ließ sie ihn am Feuer sitzen. Vielleicht ging es ihr darum, den Krieger, der ihren Schlaf bewachte, nicht unbewaffnet zu lassen; vielleicht verfolgte sie damit auch eine verborgene Absicht, indem sie ihn nämlich an das Gebilde erinnerte, das ihre Entscheidungen beherrschte. Er dachte darüber nach, während er zuschaute, wie sie sich in der Ecke der Ruine niederlegte, wo die Steine noch einen Bogen bildeten. Sie hatte die Sättel als Kissen und Windschutz, die groben Satteldecken als Bettdecke: Vanye hatte seinen Mantel auf die gleiche Weise verloren wie sein Schwert, sonst hätte die verwundete Gefangene seinen Mantel erhalten, nicht den ihren. Diese Erkenntnis belastete ihn. Er war zu ihr gekommen und hatte nichts mitgebracht, das ihnen den gemeinsamen Weg erleichterte, vielmehr griff er noch auf ihre Besitztümer zurück.
    Dennoch vertraute ihm Morgaine. Er wußte, wie schwer es ihr fiel, eine andere Hand an den Griff von
Wechselbalg zu
lassen, der sie bis zur Besessenheit beanspruchte; sie hätte ihm die Klinge nicht leihen müssen, hatte es aber getan, und er wußte nicht, warum. In dem langen Schweigen nach ihrem Einschlafen wurde ihm allzu deutlich bewußt, was für ein gutes Ziel er hier am Feuer bot.
    Wenn Roh sich seine frühere Geschicklichkeit auch nur annähernd bewahrt hatte, war er ein vorzüglicher Bogenschütze aus den Korish-Wäldern; und ein Chya-Bogenschütze war ein Schatten, ein dahinhuschendes Gespenst, wo immer es Deckung gab.
    Darüber hinaus war anzunehmen, daß Jhirun von ihren Angehörigen gesucht wurde, wenn nicht gar von Roh. Vielleicht — Vanyes Schultern begannen bei dem Gedanken zu kribbeln —, vielleicht hatte ja Morgaine mit dem lodernden Feuer auch eine Falle errichtet, ohne auf sein oder ihr Leben Rücksicht zu nehmen: es war ihr zuzutrauen, daß sie ihm ihre wichtigste Waffe gab, um ihr Gewissen zu beruhigen, in dem Bewußtsein, daß er sich dann wenigstens damit wehren konnte.
    Er stellte das Schwert zwischen die Knie, den Drachengriff gegen das Herz gelehnt, und wagte sich

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