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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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nicht einmal hinzulegen, um das Gewicht der Rüstung von seinen Schultern zu nehmen, denn er war unerträglich müde, und die Lider wurden ihm schwer. Er lauschte auf die schwachen Geräusche der im Dunkeln grasenden Pferde, ihre leisen Bewegungen beruhigten ihn immer wieder. Nachtlaute erklangen, wie er sie auch von zu Hause kannte, das Quaken von Fröschen, das gelegentliche Wasserplätschern, wenn sich ein Sumpfbewohner auf die Jagd begab.
    Und da war das Problem mit Jhirun, das ihm Morgaine überlassen hatte.
    Er steckte eine kalte Hand in den Gürtel, ertastete den rauhen Griff der Ehrenklinge und fragte sich, wie es Roh erging, fragte sich, ob er ebenso verwirrt war, ob er ebensolche Angst hatte. Das Knistern des Feuers neben sich ließ Erinnerungen an ein anderes Feuerlager wach werden, an Ra-koris an einem Winterabend, an einen Schutz, der ihm einmal geboten wurde, als es keine andere Zuflucht gab: Roh, der bereit gewesen war, seine Zugehörigkeit zu einem geächteten
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offen zu bekennen.
    Früher einmal hatte er Roh lieben können, als einzigen von allen seinen Verwandten; Roh, ein ehrlicher und mutiger Mann, Chya Roh i Chya. Aber den Mann, den er in Ra-koris gekannt hatte, lebte nicht mehr, und was sich nun in Rohs Körper befand, war
qujal,
uralt und lebensgefährlich.
    Die Ehrenklinge war nicht für Feinde bestimmt, sondern stellte das letzte Hilfsmittel der Ehre dar; Roh hätte diesen Weg erwählt, wenn ihm eine Wahl geblieben wäre. Er hatte nicht die Möglichkeit gehabt. In den Toren konnten Seelen aus ihren Körpern gerissen, konnten Mensch und Mensch verquickt werden, die Lebenden mit den Sterbenden. Das war das Böse, das Chya Roh befallen hatte; Roh war wahrhaft tot, und was in ihm noch lebte, mußte getötet werden, um Rohs willen.
    Vanye zog die Klinge halb aus der Scheide, berührte die rasiermesserschafe Schneide mit vorsichtigen Fingern und spürte einen Klumpen im Hals bei der Frage, warum es von allen Besitztümern, die Roh hätte verlieren können, ausgerechnet dieses gewesen war, eine Waffe, die kein Krieger freiwillig aufgeben würde.
    Sie hat dich gefunden,
hatte das Mädchen gesagt und ihn wegen der verwandtschaftlichen Ähnlichkeit für den anderen gehalten.
Und hast du nun keine Angst?
    Dabei fiel ihm ein, daß auch Roh Morgaine gefürchtet und verabscheut hatte, Morgaine, die seine Vorfahren und die Macht von Koris vernichtet hatte.
    Aber Roh war tot. Morgaine, die Zeuge des Vorgangs gewesen war, hatte gesagt, daß Roh tot sei.
    Vanye krampfte beide Hände um
Wechselbalgs
kalte Scheide, wandte die Augen vom Feuer ab und sah, daß Jhirun wach war und ihn anstarrte.
    Sie wußte etwas von Roh. Morgaine hatte ihm die Angelegenheit überlassen, und er verabscheute, was sie ihn zu tun gebeten hatte, erkannte er doch, was es wirklich war, was sich wirklich dahinter verbarg — daß er die Antworten nicht hören wollte.
    Plötzlich brach das Mädchen den Blickkontakt, federte hoch und stürzte sich in die Schatten.
    Er sprang auf und hatte sie eingeholt, ehe sie zwei Schritte machen konnte — er packte sie am Arm und zog sie auf den Mantel zurück, während er
Wechselbalg
in der anderen Armbeuge in sicherer Entfernung hielt. Sie versetzte ihm einen kräftigen Schlag gegen die Schläfe, und er schüttelte sie erzürnt. Ein zweitesmal schlug sie zu, und diesmal tat er ihr weh, doch sie schrie nicht — kein Laut war von ihr zu hören, außer den keuchenden Atemzügen, während sie doch von Frau zu Frau hätte Hilfe erflehen können — aber nicht von Morgaine. Er wußte, wen sie am meisten fürchtete; und als sie sich nicht mehr wehrte, ließ er los, weil er sich sagte, daß sie nicht mehr ausrücken würde. Sie riß sich von ihm los und blieb schweratmend stehen.
    »Sei still«, flüsterte er. »Ich werde dich nicht berühren. Es wäre klüger, meine Herrin nicht zu wecken.«
    Jhirun raffte sich Morgaines weißen Mantel um die Schultern, schloß ihn bis zum Kinn. »Gib mir mein Pony und meine Sachen zurück«, forderte sie. Ihr Akzent und ihr Zittern machten die Worte schwer verständlich. »Laß mich ziehen. Ich schwöre, ich werde niemandem etwas erzählen. Niemandem.«
    »Ich kann nicht«, sagte Vanye. »Nicht ohne ihre Erlaubnis. Aber wir sind keine Diebe.« Er suchte in seinem Gürtel und fand die Möwenfigur, die er ihr reichte. Sie entriß sie ihm, wobei sie noch darauf achtete, nicht seine Hand zu berühren, und drückte sie sich mit der anderen Hand unter das Kinn. Sie starrte

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