Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
ist meine Straße.«
    Er blickte in ihre tränenschimmernden Augen und haßte ihr Stören, zugleich wünschte er es sich halb, denn er war einsam und verzweifelt, und die Stille und das Brausen des Wassers konnten einen Menschen schon in den Wahnsinn treiben. »Wenn Arabais in Shiuan liegt«, sagte er, »gehe auch ich in diese Richtung. Aber auf dich warten werde ich nicht.«
    »Auch nicht auf sie?«
    »Sie wird kommen«, antwortete er. Den Zwang zur Eile spürend, drehte er sich abrupt um und begann auszuschreiten. Der Stab erleichterte ihm seine Schritte auf dem zerklüfteten Pflaster, und er gab ihn nicht zurück; ihm war es egal, ob Jhirun ihn brauchte oder nicht. Sie humpelte barfuß hinterher, doch der Schmerz seiner Füße, bloßgerieben von durchgenäßten Stiefeln, die ohnehin nicht zum Gehen gedacht waren, mußte schlimmer sein, und irgendwann in der Nacht hatte er sich außerdem das Fußgelenk verstaucht. Er reichte ihr keine stützende Hand; er hatte Schmerzen und war verzweifelt, und während der langen Wanderung kam ihm immer wieder der Gedanke, daß sie wahrhaft keinen Grund hatte, ihm Gutes zu wünschen. Wenn er sie zurückließ, würde sie ihn irgendwann im Schlaf überraschen und dann zu Ende bringen, was sie schon versucht hatte; wenn er in ihrem Beisein einschlief, konnte sie dasselbe tun, ohne die Mühe des Anschleichens zu haben; und was die Möglichkeit betraf, das Kind an einen Baum zu fesseln und in diesem flutgefährdeten Land zurückzulassen, so beschämte ihn der Gedanke, ihn, der
dai-uyo
gewesen war, dessen Ehre es ihm verbat, auch nur mit einem Manne so umzugehen. Zuweilen blickte er auf sie hinab und wünschte, sie wäre nie geboren worden; und wenn sie zu ihm aufblickte, beunruhigte ihn der nach innen gekehrte Blick ihrer Augen.
Verrückt,
dachte er,
ihre eigene Sippe hat sie verstoßen, weil sie verrückt ist. Welches andere Mädchen würde schon allein auf dieser Straße reisen und einem völlig Fremden folgen?
    Und dann kam eine jener Perioden, da ihm das Bewußtsein entglitt, und als er erwachte, schritt er noch immer dahin, ohne Erinnerung an die Ereignisse der letzten Minuten. Panik stieg in ihm auf, die Erschöpfung schwächte seine Beine dermaßen, daß ihm klar wurde, er hätte besinnungslos umsinken können. Auch Jhiruns Schritte waren sehr unsicher.
    »Wir ruhen«, sagte er mit der heiseren Stimme, die die Erkältung ihm geschenkt hatte. Er warf den Arm um sie, spürte sofort ihren Widerstand, ohne aber darauf zu achten — er zog sie an den Straßenrand, wo die Baumwurzeln einen Untergrund schufen, der weniger kalt war als Erde oder Felsen. Sie versuchte sich loszumachen, da sie seine Absicht erkannte; doch er schüttelte sie und sank hinab, indem er sie eng an sich preßte. Sie zitterte.
    »Ich tue dir nichts«, sagte er. »Lieg still! Ruh dich aus!« Den Arm um sie gelegt, damit er jede Bewegung sofort spürte, neigte er den Kopf gegen eine knorrige Wurzel, schloß die Augen und versuchte ein wenig zu schlafen, noch immer besorgt, er könnte zu tief entschlummern.
    Sie blieb ruhig in seinem Arm liegen, und die Wärme ihrer Körper bot eine willkommene Flucht vor der Kälte der feuchten Kleidung; und nach einiger Zeit entspannte sie sich, den Kopf auf seine Schulter gelegt. Er schlief ein und erwachte mit einem Ruck, der ihr einen Schrei entlockte.
    »Ruhig«, bat er. »Sei ruhig.« Im Reflex hatte er den Arm enger um sie gezogen, ließ nun wieder los und spürte eine Ruhe, die im Augenblick sehr wohltuend war, ein Empfinden, das alles, auch die schrecklichsten Dinge, seltsam entrückt wirken ließ. Jhirun schloß die Augen; er tat es ihr nach und erwachte ein zweitesmal, wobei sie ihn anstarrte, den Kopf auf seine Brust gelegt, ein in seiner Starrheit beunruhigender Blick. Ihr Körper, der den seinen berührte, war angespannt, der Arm, der auf ihm lag, war starr, die Faust geballt. Er bewegte die Hand auf ihren Rücken, mehr aus Unbequemlichkeit als Absicht, und spürte sie zittern.
    »Gibt es denn niemanden«, fragte er, »der weiß, wo du bist, oder sich Sorgen um dich macht?«
    Sie antwortete nicht. Er erkannte, wie sich seine Frage angehört haben mußte.
    »Wir hätten dich zurückschicken sollen«, fuhr er fort.
    »Ich wäre nicht gegangen.«
    Das glaubte er ihr. Die Entschlossenheit in ihrer leisen, heiseren Stimme war absolut. »Warum?« fragte er. »Du behauptest, Hiuaj geht unter; aber das ist eine Vermutung. Auf dieser Straße dagegen kannst du wirklich

Weitere Kostenlose Bücher