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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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ihre kräftigen Finger das Stück hier und dort verknoteten, und verstand ihr Tun, als sie sich bückte, um einen Stein aufzuheben. Er gab ihr einen zweiten Lederstreifen, damit sie ihr Werk abrunden konnte, und die Schlinge nahm langsam Formen an.
    Sie wanderten lange, bis sich die Vögel näher heranwagten; urplötzlich ließ sie die Schlinge kreisen und schickte den Stein gut gezielt auf den Weg. Ein Vogel flog vom Himmel; doch er stürzte unmittelbar außerhalb des Schilfes ab, und als er das Wasser berührte, stieg etwas aus den dunklen Tiefen empor und schnappte danach. Jhirun stand am Wegrand und sah so niedergeschlagen aus, daß sich sein Herz für sie erwärmte.
    »Beim nächstenmal«, sagte sie.
    Aber es kamen keine Vögel mehr. Nach einiger Zeit — die Nacht rückte bereits heran — zerrte Jhirun eine Handvoll Schilf heraus, schälte es bis zu den Wurzeln ab und aß es, nicht ohne ihm davon anzubieten.
    Der Schmerz in seinem Magen wurde etwas gemildert, doch der Geschmack war bitter, und er nahm nicht an, daß ein Mensch von solcher Nahrung lange leben konnte. Vor ihnen erstreckte sich ein flaches, ungeschütztes Gebiet, auf dem sich nur die Straße erhob; und am Himmel begannen die Monde zu scheinen, fünf an der Zahl.
    Jhirun gab den Himmelskörpern ihre Namen, während sie weiterwanderten: der Zerbrochene Mond, die vornehme Anli, der dämonische Sith, der mit Anli tanzte. Nur der größte Mond, Li, war noch nicht aufgegangen, würde aber tief in der Nacht erscheinen, ein so langsamer und mächtiger Mond, daß die übrigen ihm aus dem Weg zu gehen schienen.
    »In der alten Zeit«, sagte Jhirun, »gab es nur einen.«
    Der Mond war ganz. Die Welt war fest, Das Land war weit, Die Quellen taten Wunder.
    Der Mond zerbrach.
    Die Welt erbebt,
    Das Land ertrinkt,
    Die Brunnen sind versiegelt.
    Das ist das Werk der Drei.
    »Das singen die Kinder bei uns.«
    »Welcher Drei?«
    »Der drei Monde«, antwortete sie. »Der Dämon und die beiden Ladys. Der Mond wurde auseinandergebrochen, daraufhin begann die Welt unterzugehen, und einige behaupten, wenn es nur noch das Meer gibt, dann wird Li hineinstürzen, und die Welt wird zerbrechen wie der Mond. Allerdings wird dann längst kein Mensch mehr übrig sein.«
    Vanye blickte zum Himmel empor, wo sich der Anli genannte Mond bewegte, daneben die winzige Rundung Siths. Bei Nacht zeigten sich die Monde in einer Wolke: Mondstaub hatte Morgaine ihn genannt. Er hielt diese Bezeichnung für zutreffend, ein Zauber der verdammten Welt, mit dem sie wenigstens in Schönheit untergehen konnte, ein Lichtbogen, der den Weg der Monde darstellte. Er dachte an Li, der vor zwei Nächten wie ein riesiger Lampion am Himmel über den Wolken gehangen hatte, und erschauderte beim Gedanken an den Absturz, denn das Stück sah so aus, als könne es wirklich an Höhe verlieren.
    »Bald«, sagte Jhirun, »wenn Li die anderen überholt, haben wir Hnoth, und dann steigt das Wasser. Wir stehen dicht davor — und dann wird diese Straße völlig überflutet sein.«
    Bedrückt dachte er darüber nach. Von Morgaine hatte er kein Zeichen gesehen, keine Fährte; Jhiruns Warnung weckte neue Ängste. Doch Morgaine würde sich nicht unnötig in tiefem Gelände aufhalten; sie mochte sich in diesem Augenblick bereits an den Bäumen befinden, die hinter ihnen den Horizont verdeckten.
    Er bemerkte, wie müde Jhirun sich bewegte, die noch immer mit ihm Schritt zu halten versuchte, ohne sich zu beklagen, wenn sie auch vor Anstrengung keuchte. Er spürte die Müdigkeit der eigenen Beine; seine Rüstung war eine Qual, die seinen Rücken in loderndes Feuer tauchte.
    Und Morgaine mochte nur eine kurze Strecke hinter ihnen sein.
    Er blieb an einer Stelle stehen, da sich die grasbewachsene Schräge über einer besonders niedrigen Stelle des Sumpfes erhob. Er nahm Jhirun am Arm, führte sie hinüber und warf sich zu Boden, froh, daß sich das Gewicht der Rüstung nun auf Rücken und Schultern verteilte. Jhirun setzte sich neben ihn, den Kopf an seine Brust gelehnt, und breitete den feuchten Schal über sie beide, so gut es ging.
    »Wir wandern vor Sonnenaufgang weiter«, sagte er.
    »Ja.«
    Er schloß die Augen, und das Aufhören des Schmerzes war so erquickend, daß ihn der Schlaf auf der Stelle übermannte, ein Druck, der sein Denken davonschwemmte.
    Jhirun schrie auf.
    Vanye fuhr hoch, schleuderte sie fort, sah sich um und erkannte, daß sie allein waren. Jhirun weinte, und ihre hoffnungslosen Laute bedrückten ihn.

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