Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
näher!«
     
7
    »Ein Priester«, sagte Jhirun. »Ein Shiua-Priester.«
    Erleichtert atmete Vanye aus. Die schwarze Robe gehörte keinem ihm bekannten Orden, nicht in seiner Heimat, wo Vesper- und Gebetsglocken ein vertrauter und beliebter Laut waren. Aber es handelte sich trotzdem um einen Priester, und in diesem grauen und sterbenden Land gab es keinen willkommeneren Anblick, die beruhigende Gewißheit, daß es sogar hier menschliche und gottesfürchtige Menschen gab. Trotzdem trat er nur behutsam vor; in den Schatten oben an der Mauer standen sicher Männer mit gespannten Bögen, die Pfeile sorgsam gezielt. So mochte manche Grenzburg in Kursh und Andur nächtliche Reisende empfangen, die Beipforte benutzend aus Angst vor einer im Hinterhalt lauernden Streitmacht, die Bogenschützen bereit für den Fall, daß es Probleme gab.
    Trotzdem wurde in ganz Andur-Kursh, selbst in den schlimmsten Jahren, die Gastfreundlichkeit nicht vernachlässigt, und die Bewohner waren verpflichtet, Reisenden zu helfen, ihnen Unterkunft für die Nacht zu geben, egal, ob in einem vornehmen Haus oder in einer primitiven Gastunterkunft ohne Mauern. Vanye hielt seine Hände so, daß sie gesehen werden konnten, und blieb stehen, damit der Priester ihn deutlich sah, der beide Gestalten staunend anblickte, ein verblüfftes weißes Gesicht unter der Kapuze, ein weißer Fleck in der aufziehenden Nacht.
    »Pater«, sagte Vanye, dem vor Heiserkeit und Besorgnis beinahe die Stimme versagte. »Pater, ich suche eine Frau auf einem grauen oder schwarzen Pferd oder vielleicht auch zu Fuß. Du hast sie nicht gesehen?«
    »Keine Frau«, antwortete der Priester. »Keine. Aber wenn andere Reisende an Ohtij-in vorbeikommen, werden wir es wissen. Kommt herein und seid willkommen!«
    Jhirun setzte sich in Bewegung; Vanye spürte einen Anflug von Mißtrauen, den er aber sofort seiner Erschöfung und der Seltsamkeit dieses Ortes zuschrieb. Es war ohnehin zu spät. Wenn er jetzt noch ausrückte, konnte man ihn leicht einholen, und wenn nicht, bekam er ein Bett und zu essen, und es wäre verrückt, dies von sich zu weisen. Er zögerte, während Jhirun an seiner Hand zupfte, dann trat er durch die kleine Pforte in einen freien Raum zwischen zwei Mauern. Hier loderten Fackeln, und Regen dampfte auf den Kupferschirmen der Fackelhalterungen.
    Ein zweiter Priester schloß das Beitor und verriegelte es; und mit frischem Mißtrauen registrierte Vanye die Stärke der Tore, des inneren wie des äußeren: eine Doppelmauer schützte diesen Zugang zu Ohtij-in. Der zweite Priester zog an einer Schnur, die die Glocke zum Läuten brachte, und bedächtig öffneten sich die inneren Tore und offenbarten Fackelschein, Regen und bewaffnete Männer.
    Keine Waffen wurden geschwenkt, niemand stürzte sich auf sie; es gab lediglich eine mehr als reichlich bemessene Eskorte — Lanzenträger im wild zerzausten Licht der Fackeln, deren Schein sich feucht auf bronzenen Halbhelmen spiegelte, die an der Stirn groteske Gesichter nachzeichneten, und auf Rüstungen, die nach der Art langer Röcke in Schuppen herabhingen, mit komplizierten Ornamenten versehen, und schließlich auf Piken mit feinen, grausamen Widerhaken.
    Diese Streitmacht war weitaus stärker, als sie eine gewöhnliche Feste zu Friedenszeiten in einer regnerischen Nacht unter Waffen halten würde. Fröstelnd machte sich Vanye klar, daß hier etwas absolut nicht stimmte: der Schrecken der fremden Rüstungen, die übertriebenen Verteidigungsvorbereitungen in einem unbewohnten Land. Selbst Jhirun schien ihr Zutrauen zu diesem Ort verloren zu haben und hielt sich dicht neben ihm.
    Ein Priester zupfte an dem Stab, den er noch hielt; er krampfte die Finger darum, versuchte den Sinn eines solchen Willkommens zu ergründen, versuchte festzustellen, ob sich der Widerstand lohnte oder es besser war, sich dem Herrn dieser Burg zu ergeben. Er ließ den Stab los, in der Erkenntnis, daß er sich damit ohnehin kaum verteidigen konnte.
    Waffen wurden gedreht, und die Eskorte öffnete die Reihen, um sie aufzunehmen. Die Priester blieben bei ihnen, auf allen Seiten von Pikenträgem umgeben; außerhalb stand trotz des Regens eine stumme Menschenmenge, Männer und Frauen in zerlumpter Kleidung. Einen Augenblick lang hielt die Ruhe an, dann stieg ein Schrei aus der Menge empor, das wilde Aufkreischen eines Mannes, der nach vorn stürmte; andere bewegten sich ebenfalls, und ihr Geschrei füllte den Hof. Hände griffen durch die schützende Barriere

Weitere Kostenlose Bücher