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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Handgelenke gebohrt, seine Finger krampften sich um die ihren, so daß sie möglicherweise blaue Flecken davontragen würde. Er merkte, daß seine Arme und Beine zitterten, und spürte das gleiche Beben in ihren Gliedern. Ihre Augen waren tränenfeucht. Sie schüttelte das verfilzte Haar und hielt den Atem an. Er spürte das Entsetzen, das Jhirun seit der Geburt begleitet hatte, Jhirun, die da behauptete, daß ihre Welt unterging, deren Land so instabil war wie der stürmische Himmel.
    Er richtete sich auf und zog sie mit und schämte sich seiner Angst nicht mehr. Er verstand nun einiges. Er wischte ihr den Dreck von den zerkratzten Ellenbogen und von den tränenüberströmten Wangen und erkannte, wie sehr sie sich bemühte, mutig zu erscheinen.
    »Normalerweise gibt's nur kleine Beben«, sagte sie. »Bis auf einmal, als der Deich brach und halb Hiuaj überflutet wurde, der Stoß eben war wie damals.« Sie stimmte ein verzweifeltes und bitteres Lachen an, der Versuch, die Situation von der leichten Seite zu nehmen. »Wir sind dem Meer eine Handbreit näher gekommen, so heißt es bei uns.«
    Er vermochte nicht darüber zu lachen, aber er drückte sie fest an sich als Anerkennung für ihren Mut, und erschauderte, als sich der Wind auf sie stürzte und dicke Regentropfen brachte.
    Sie wanderten weiter. An einigen Stellen war sogar die Straße verworfen, die mächtigen Blöcke waren hochgedrückt und verschoben worden. Vanye spürte, daß die Erschütterung noch in ihm nachwirkte, daß sein Verstand tief im Innern noch nicht überzeugt war, daß die Erde ruhig bleiben würde; und der Donnerschlag, der von Pol zu Pol dröhnte, als risse der Himmel auseinander, ließ sie beide zusammenfahren.
    Nun begann es richtig zu regnen, während der Himmel eine unangenehme grüne Färbung annahm; und das Lärmen übertönte alles andere, der herabrauschende Regen trennte sie von der übrigen Welt bis auf das Fleckchen Straße, das sie gerade beschritten. Stellenweise lag die Straßenfläche schon knöcheltief in strömendem Wasser, und Vanye erkundete die Steine mit dem Stab, damit sie nicht in eine Senke fielen und ertranken.
    Es wurde Abend. Der Regen fiel weniger hart, doch noch immer gleichmäßig, und wie durch Zauberhand tauchten plötzlich Hügel auf, als wären sie in dem graugrünen Regen und den Regenschleiern urplötzlich materialisiert. Abrupt waren sie im Westen zu sehen, vom nachlassenden Licht in ein traumhaftes Relief geworfen; und bald schälten sich vor den Wanderern weitere Anhöhen heraus, grau und vage wie Illusionen.
    »Shiuan«, hauchte Jhirun, und ihre Hand legte sich fest um seinen Arm. »Wir sind durch; wir haben Shiuan erreicht!«
    Vanye antwortete nicht, denn er mußte sofort wieder an Morgaine denken, ein Gedanke, der jede Freude an das eigene Überleben zunichte machte. Er dachte an Morgaine und sagte sich mit letzter sturer Hoffnung, daß die Flut ja nicht unüberwindlich gewesen und auch nicht ohne Vorwarnung gekommen sei: es gab noch eine geringe Chance. Jhiruns Freude dagegen war ein angenehmer Anblick; er beantwortete den Druck ihrer Hand mit einer aufmunternden Berührung.
    Sie gingen weiter, und die Hügel rückten immer näher. Es wurde dunkler. Die Straße führte an den Hängen entlang und wechselte dabei von Hügel zu Hügel und sank nicht wieder unter die Wasseroberfläche. Neben dem Weg strömte Wasser und plätscherte über Felskanten und zwischen Hügeln hindurch, bestrebt, den Sumpf zu erreichen.
    Vanye blieb stehen, denn etwas Seltsames erhob sich auf dem höchsten Berg vor ihnen: eine Masse, die ihrerseits im Regen Gestalt gewann — graue Türme, ein wenig heller als die Wolken, die im stürmischen Dämmerlicht am Himmel wallten.
    »Ohtij-in!« rief Jhirun durch das Prasseln des Regens. »Das ist Ohtij-in, die erste Feste von Shiuan!«
    Der Anblick des düsteren Bauwerks erfüllte ihre Stimme mit Freude; sie setzte sich in Bewegung, doch er blieb stehen, und sie hielt inne, den Schal um sich gerafft, in der Kälte zitternd, die sich schnell einstellte, sobald man sich nicht mehr bewegte.
    »Die Leute sind gut bewehrt«, sagte er. »Vielleicht — vielleicht sollten wir uns in der Nacht daran vorbeischleichen.«
    »Nein!« wandte sie ein. »Nein!« Ihre Stimme klang erstickt. Am liebsten hätte er sie fortgeschickt, hätte sie aufgefordert zu tun, was ihr gefiel; und beinahe hätte er es auch getan in der Annahme, daß ein solches Vorgehen für sie auch nicht weiter gefährlich sein

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