Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
verlassen. Ich habe sie gelehrt. Hetharu konnte den gesamten Norden Shiuans in wenigen Tagen erobern. Er ist ein Schüler, der seinen Lehrer längst überrundet hat.«
»Wie beurteilst du die Lage?«
Roh blickte zum Fluß und verzog vor dem Wind und dem Licht das Gesicht. »Acht-, zehntausend sind das dort, wenn sie sich noch ein Stück über die Baumgruppe dort hinaus erstrecken. Und was auf der anderen Seite von Nehmin anrückt – dreimal soviel. Wahrscheinlich kommen noch mehr den kleinen Fluß nördlich von hier herauf, bis sie uns in der Falle haben. Jeder Reiter, der aus diesem Dreieck fliehen wollte, würde niedergestreckt. Sie haben den Schutz von Dickichten auf allen Seiten. Diese große –
Schau...
soll uns nur ablenken.«
»Und die weiter oben liegenden Narn-Furten? Wie viele Gegner insgesamt?«
»Ich glaube, die Shiua haben die erste Furt besetzt. Jeder mögliche Fluchtweg dürfte versperrt sein. Und die Gesamtzahl der Horde – die hat niemand gezählt. Selbst die
khal
wissen es nicht. Aber sie schätzen hunderttausend – ausnahmslos Kämpfer, die ihr Handwerk verstehen. Sogar die jungen. Sie haben ihr eigenes Land ausgeplündert und ihre Artgenossen getötet, um in diese Welt zu kommen. Ein Mann, der den Kindern ausgeliefert ist, wird in Stücke gehackt. Zahlreiche Morde sind dort alltäglich, Morde, Diebstahl und jedes andere Verbrechen. Sie werden kämpfen; darauf verstehen sie sich, wenn sie den Gegner für hilflos halten.«
»Sollen wir auf den Rat vertrauen, den uns dieser Mann gibt?« fragte Merir.
Morgaine nickte. »Du darfst glauben«, sagte sie leise, »daß dieser Mann euch wohlgesonnen ist, Lord Merir. Sein Land war Shathan vergleichbar, noch mehr in der Zeit vor seiner Geburt, an die er sich – in seinen besseren Träumen erinnern mag. Ist das nicht so?«
Erschüttert blickte Roh sie an, streckte die Hand aus und stützte sich am Felsen ab.
»Mein Lord«, sagte Morgaine, »ich glaube nicht, daß sogar die
arrhendim
mit mehr Liebe für das Land kämpfen könnten als dieser Mann.«
Merir bedachte Roh mit einem Blick. Der andere verbeugte sich, und als er sich aufrichtete, schimmerten Tränen in seinen Augen.
»Ja«, sagte Merir. »Ja, ich glaube es auch.«
Die Stimmen von den unteren Wiesen brausten lauter, unmittelbarer, und erinnerten an die Gefahr, in der alle schwebten.
»Wir können hier nicht bleiben«, sagte Vanye.
»Liyo... «
Während sie zurücktrat, verweilte Merir und löste das Horn von seiner Schulter – silbern eingefaßt, alt, von Rissen durchzogen.
»Am besten steigt ihr in die Sättel«, sagte der alte Lord. »Wir ziehen bestimmt die allgemeine Aufmerksamkeit auf uns. Wir haben da ein seltsames Gesetz, ihr Freunde aus der Fremde, danach darf in Shathan nie ein Horn erklingen. Und doch haben wir die Instrumente bei uns, obwohl sie fünfzehnhundert Jahre lang geschwiegen haben. Du hast mich gebeten, die
arrhendim
zu rufen. Steig auf das Pferd!«
Sie blickte an ihm vorbei auf die Horde, die auf den Hügel zuschwärmte. Dann nickte sie und ging hastig mit den anderen zurück. Nur Lellin und Sezar blieben.
»Wir werden sie nicht verlassen«, sagte Sharrn.
»Nein«, sagte Morgaine. »Macht die Pferde fertig für sie!
Ich glaube, wir müssen tüchtig reiten, wenn wir hier fort wollen.«
Sie erreichten die Pferde und stiegen eilig auf.
Und urplötzlich ertönte ein leises Klagen, das sich zum hellen, klaren Hornstoß emporschwang. Vanye schaute zurück. Auf der Anhöhe, die sie verlassen hatten, stand Merir und blies einen Ton, der über die Wiese hallte. Erschöpft setzte er ab und gab Lellin das Instrument. Der junge Mann blies zuerst unsicher in das zornige Gebrüll der Horde, die darin eine Herausforderung sah. Dann tönte es lauter als alle Stimmen des Feindes und erzeugte Echos zwischen den Felsen und schwang sich immer wieder empor.
Dann herrschte eine Weile Schweigen; sogar die Horde brauste nicht mehr so laut wie zuvor.
Und aus der Ferne tönte ein anderes Horn herüber, schwach wie der Wind, der sich durch Laub bewegt. Das Geheul des Feindes erstickte den Laut, doch die Gesichter der
arrhendim
waren voller Freude.
»Kommt!« brüllte Morgaine den dreien zu, und schon verließen sie die Anhöhe, wobei Lellin und Sezar den alten Lord stützten.
Vanye führte die weiße Stute hinüber und reichte Merir die Zügel, dem von den beiden Jünglingen in den Sattel geholfen wurde; und schon liefen Lellin und Sezar auf ihre Tiere zu, während Morgaine
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