Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
Shiuan hielten in ihren halbbekleideten Zerstreuungen inne und wandten sich in langsamen, gezierten Posen den Neuankömmlingen zu, auf Polstern und sackleinenen Kissen ruhend, im Schutze geflochtener Binsenwände, die das Innere abgrenzten.
Aus Sackleinen und Brokatstoffen war auch der Thron, auf dem sich Hetharu niederließ, umgeben von einer Gruppe Halblingswächter. Einige schienen ziemlich berauscht zu sein, andere machten einen wachen Eindruck und trugen Rüstung und Waffen. Eine nackte Frau kauerte sich in den Schatten einer Ecke. Hetharu starrte die Eindringlinge an, zunächst ausdruckslos vor Erstaunen, dann aber mit wachsendem Vergnügen – dünn und mit tiefen, umschatteten Augen war das Gesicht, um so verblüffender wegen der menschlichen Augen, die düster aus ansonsten
qhalur-
Zügen starrten. Das weiße Haar lag seidig-schlaff auf seinen Schultern. Das schwarze Brokatgewand wirkte etwas zerschlissen, die Säume waren ausgefranst; das Zierschwert an seiner Hüfte hatte von seiner Gefährlichkeit aber nichts verloren. Hetharu lächelte, und rings um ihn bewegte sich das Miasma dessen, was Shiua ausmachte, untergehend und verfaulend.
»Nhi Vanye«, sagte Hetharu leise. »Und Morgaine?«
»Diese Sache ist inzwischen sicher erledigt«, sagte Shien.
Vanye biß die Zähne zusammen und starrte durch alle Anwesenden hindurch, wobei er sich auf seinen Verstand zu besinnen versuchte; aber jene hartherzige Bemerkung über Morgaines mögliches Schicksal peinigte ihn plötzlich schlimmer als jedes Gefühl, das er in den letzten Stunden durchlebt hatte.
Sollte er Hetharu töten? Das war einer der Gedanken, die ihn in den vergangenen Tagen beschäftigt hatten; plötzlich kam ihm eine solche Tat sinnlos vor, denn es gab hier viele tausend Männer, die nicht anders waren als er. Sollte er versuchen, Macht über sie zu gewinnen? Plötzlich kam ihm das unmöglich vor, denn er war ein Mensch, und was von der Menschheit hier sonst noch vertreten war, hockte nackt und beschämt und weinend in der Ecke.
Vanye trat einen Schritt vor. Obwohl seine Hände gefesselt waren, zeigten sich die Wachen nervös; die Lanzen richteten sich ein wenig in seine Richtung. Er blieb stehen, wußte er doch, daß man mit ihm kein Risiko eingehen würde.
»Wie ich gehört habe«, sagte er zu Hetharu, »hat es zwischen dir und Roh Streit gegeben.«
Die Worte riefen Verwirrung hervor. Ein kurzes Schweigen trat ein, und Hetharus Gesicht zeigte sich wesentlich bleicher als gewöhnlich.
»Raus!« sagte Hetharu plötzlich. »Ihr alle, die ihr hier nichts zu schaffen habt, raus mit euch!«
Damit waren viele gemeint: die Frauen, die Mehrzahl der
khal,
die am Rande des kleinen Festes ihren Genüssen nachgegangen waren. Ein halb bewußtloser junger Lord lehnte an Hetharus Seite und schaute mit unkonzentrierten grauen Augen und einem verträumten Lächeln in die Runde, das jeder Realität Hohn sprach. Eine
khalur-F
rau mittleren Alters blieb; ebenso eine Handvoll Lords, wie auch alle Wächter, von denen einige allerdings tief in ihren Träumen weilten; sie hockten mit abwesendem Blick bei Hetharu und den anderen Lords, und ihre Hände lagen schlaff an den Waffen. Es blieben jedoch genug, die ihre Sinne beieinander hatten. Hetharu lehnte sich auf seinem primitiv zusammengezimmerten Thron zurück und betrachtete ihn mit dem altbekannten Haß.
»Shien, was hast du diesem Menschen erzählt?«
Shien zuckte die Achseln. »Ich habe ihm seine Lage klargemacht und seinen möglichen Wert.«
Hetharu musterte Shien mit zusammengekniffenen Augen. »Kenntnisse, wie Roh sie besitzt? Meinst du das?«
»Durchaus möglich, daß er darüber verfügt. Er ist schweigsam.«
»Er«, sagte plötzlich die Frau, »ist vielleicht vernünftiger, als Roh sich gezeigt hat. Immerhin haßt der menschliche Abschaum ihn von ganzem Herzen. Bei ihnen kann er keine Gefolgsleute finden. Das ist ein klarer Vorteil gegenüber Roh.«
»Es geht auch um persönliche Dinge«, sagte Hetharu, und die Lady stimmte ein unangenehmes Lachen an.
»Was in Wahrheit dahintersteckt, wissen wir. Mein Lord He-tharu, du solltest keine wertvolle Informationsquelle verschwenden. Wem in dieser Runde liegt noch an der Vergangenheit – an Dingen, die erledigt sind oder noch offenstehen? Shiua liegt hinter uns. Das Hier und Jetzt ist wichtig. Du hast jetzt Gelegenheit, uns von dem sogenannten Halbling und seinen Anhängern zu befreien. Nutze sie!«
Hetharu gefielen diese Äußerungen nicht, aber die
Weitere Kostenlose Bücher