Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
größtem Respekt behandelt. Er ist gefährlich. Natürlich wissen wir das. Aber darin hast du uns jetzt ja etwas Bewegungsspielraum verschafft, oder nicht? Du weißt, was Roh weiß, und du bist im Augenblick nicht gefährlich. Wenn du dabei dein Leben verlieren solltest – nun, dann haben wir immer noch Roh. Wir können uns also darauf stützen, oder? Du darfst gehen, Shien, mit unserem – Dank!«
Nichts regte sich in der Runde. Hetharu hob die Hand, und die Piken fuhren herab.
Und Shien und seine Männer verließen die Unterkunft. Einer der jungen Lords lachte leise auf. Die anderen entspannten sich, setzten sich bequemer hin, und Hetharu lächelte verkniffen.
»Hat er versucht, dich auf seine Seite zu ziehen?« fragte He-tharu.
Vanye sagte nichts. Der Mut verließ ihn angesichts der Erkenntnis, daß er einem Mann den Rücken gekehrt hatte, der seine Versprechungen vielleicht gehalten hätte. Hetharu deutete sein Schweigen und nickte langsam.
»Du weißt, welche Wahl wir dir lassen«, sagte er. »Du kannst mit den Informationen freiwillig herausrücken – und könntest weiterleben – während Roh eines Tages überrascht feststellen muß, daß wir ihn nicht mehr brauchen. Das zu tun, wäre von deiner Seite ein kluges Vorgehen. Wir können natürlich auch gegen deinen Willen danach greifen, und das soll dir leid tun. Entscheide dich also, Mensch!«
Vanye schüttelte den Kopf. »Ich könnte euch nichts sagen, sondern euch nur Dinge zeigen. Und um das zu tun, muß ich am Tor dabei sein.«
Hetharu lachte, ein Lachen, in das seine Männer einfielen, so durchsichtig war sein Schachzug. »Ah, du würdest dich gern dorthin begeben, wie? Nein, was du uns vormachen kannst, läßt sich auch mit Worten beschreiben. Und du wirst nichts verheimlichen.«
Wieder schüttelte er den Kopf.
Hetharus Hand näherte sich der Schulter des
khal,
der mit offenen Augen neben seinem Thron träumte. Sanft stieß er ihn an, bis sich das verträumte Gesicht in seine Richtung hob. »Hirrun, gib mir eine doppelte Portion von deinem Zeug – ja, ich weiß, daß du noch mehr davon bei dir hast. Und gib es mir – wenn du klug bist.«
Ein häßlicher Ausdruck glitt über Hirruns hübsches Gesicht, aber dann zuckte er unter Hetharus Griff zusammen, wühlte in seinem Gürtelbeutel und nahm etwas heraus, das er mit zitternden Fingern in Hetharus geöffnete Hand legte. Hetharu lächelte und reichte das Empfangene an den Wächter weiter, der neben ihm stand.
Dann hob er den Kopf. »Haltet ihn fest!« befahl er.
Vanye begriff, was geschehen sollte. Er sprang zurück, doch andere standen hinter ihm und ließen ihm keine Chance. Das geschiente Bein rutschte ab, und er stürzte zusammen mit den Wächtern zu Boden. Sie drückten ihn mit ihrem Gewicht nieder, zwangen ihm den Mund auf und schoben die Pillen hinein. Jemand schüttelte Alkohol nach, was die Runde mit Lachen quittierte, ein Laut, der sich wie Glockenklang anhörte. Er versuchte sie wieder auszuspucken, doch man hielt ihn fest, bis er schlucken oder ersticken mußte. Endlich ließ man ihn lachend los, und er ließ sich auf die Seite rollen und versuchte das Mittel herauszuwürgen. Aber dafür war es zu spät. Kurze Zeit später begann er die Wirkung zu spüren –
akil
war das Mittel, eine Droge, die bei den
khal
und den Sumpfbewohnern, die die Lieferanten waren, allzu häufig gebraucht wurde. Ein Mittel, das ihm die Sinne raubte und eine schreckliche Trägheit Einzug halten ließ. Es war seltsam: die Angst ließ nicht nach, doch er wurde an einen fernen Ort geschickt, an dem dieses Gefühl auf seine Handlungen keinen Einfluß mehr hatte. Eine seltsame Wärme überkam ihn, ein seltsamer Mangel an Schmerz, ein Zustand, in dem jede Berührung als angenehm empfunden wurde.
»Nein!« schrie er entrüstet, und die Männer lachten, ein sanftes, fernes Geräusch, das seltsam pulsierte. Wieder schrie er und versuchte das Gesicht abzuwenden, aber die Wächter zerrten ihn hoch und hielten ihn in der Senkrechten.
»Wenn die Wirkung nachläßt«, sagte Hetharu, »haben wir noch mehr. Er soll stehen, laßt ihn stehen!«
Man ließ ihn los. Er konnte keinen Schritt tun, aus Angst um sein Gleichgewicht. Sein Herz schlug auf schmerzhafte Weise, und in seinen Ohren machte sich ein Brausen bemerkbar. Das Bild vor seinen Augen war verschwommen, bis auf den Mittelpunkt, der sich klar zeigte. Das Schlimmste aber war die Wärme, die über seine Haut kroch, die jede Vorsicht aufzehrte. Er kämpfte mit der
Weitere Kostenlose Bücher