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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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ein Einwanderungsvisum zu erhalten; er ging mit ihnen nach Beirut, wo sie ohne ihn verloren gewesen wären; er half ihnen bei den Formalitäten, lud sie beim Zyprioten zum Mittagessen ein, wo er seine Lieblingsbestellung aufgab, Hackfleischbällchen, Kichererbsenpüree und zwei Gläser Arrak; er saß ihnen gegenüber und duldete nicht, dass einer von ihnen auch nur einen einzigen Piaster aus seiner Tasche bezahlte, sagte, er wolle meine Mutter nicht in Verlegenheit bringen, indem er sie nach Hause einlade, er lebte auf in ihrer Anwesenheit, stellte Fragen und erkundigte sich, wie es jedem einzelnen von ihnen gehe.
    Heute ist Vater tot. Er war in sein Zimmer gegangen, um ein Mittagsschläfchen zu halten, er hatte die Zeitung mitgenommen und war nicht wieder aufgewacht. In einem kleinen Autokonvoi brachten wir ihn nach oben und begruben ihn unter der ersten Zypresse rechts neben dem Friedhofseingang, nachdem wir in der Kirche für ihn gebetet hatten. Man umringte uns, Verwandte von uns, zu denen wir Kontakt gehalten hatten, und Menschen, die wir nicht kannten und die sich keine Beileidsbekundung und kein Begräbnis entgehen lassen. Die Frauen hatten sich Vater zu Ehren in Schwarz gehüllt. Die Leute setzten sich neben uns, erkundigten sich, wie es uns gehe, luden uns zu sich nach Hause ein. Ich habe das Gefühl, dass wir ihnen etwas schuldig sind. Sollte ich einen von ihnen verloren in der Stadt herumlaufen sehen, dann werde ich von heute an nicht zögern, mich um ihn zu kümmern und ihn einzuladen, uns zu besuchen. Ich hatte immer zu meiner Mutter gesagt, dass ich manchmal Sehnsucht habe, ins Dorf hoch zu fahren. Das überraschte sie nicht, sie war im Gegenteil beruhigt, weil mein Wunsch ganz natürlich war. Für Mutter aber waren wir ihr Dorf, glaube ich.
    Unser Haus oben haben wir verkauft, jenes Haus, in dem meine Mutter darauf bestanden hatte, dass wir die Tür hinter uns schließen, wenn wir hereinkommen. Aber wir haben unter der ersten Zypresse rechts neben dem Eingang einen Ort, an den ich mindestens einmal im Jahr einen Blumenstrauß bringen werde, einen Ort, den uns, so glaube ich, niemand abkaufen kann.

VI
    Von dem Augenblick an, als mir Muntaha deinen Brief vorgelesen hat – mit ihrem Gerede hat sie ziemlich meine Nerven strapaziert und mir erst klipp und klar gesagt, dass du zu Besuch kommst, nachdem ich sie beschimpft habe –, seit jenem Tag habe ich mich vor deiner Rückkehr gefürchtet. Mir entgeht nichts, Elia, ich habe dich von Anfang an genau beobachtet. Seit dem Moment unserer Rückfahrt vom Flughafen Beirut, als du neben mir auf der Rückbank gesessen und mich liebkost hast, als wäre ich ein kleines Mädchen. Den ganzen Weg über hast du mir die Wange getätschelt und mich umarmt. Als ich dich gefragt habe, was du vorhast, jetzt, wo du zurück bist, hast du das Thema gewechselt und dich nach dem Akkordeon erkundigt, als würdest du dich über mich lustig machen wollen. Ich bin darauf eingegangen, und wir haben uns daran erinnert, wie du drei Jahre lang ganz versessen gewesen warst auf dein Instrument, wie du es nicht von der Schulter genommen hast und vor lauter Angst, dass es Kratzer bekommt, nicht wolltest, dass es jemand auch nur anfasst. Ich habe es für dich aufgehoben, wie du siehst, und dort an die Wand im Wohnzimmer gehängt. Obwohl mir meine dummen Nachbarn – und besonders die Frauen – auf die Nerven gegangen sind, die hier rein- und rausgingen und mich gefragt haben, was das denn für ein Instrument ist und wozu man es braucht und wieso ich es hier an die Wand hänge und ob es teuer war …
    Ja, es stimmt, ich sehe nicht mehr gut. Ich weiß nur, wann das Tageslicht sich hinter den hohen Bergen auszubreiten beginnt, dann mache ich mir eine Tasse Kaffee und nippe daran, bis der Morgen da ist; und genauso spüre ich, wenn die Dunkelheit vom Meer aufsteigt, um die Welt einzuhüllen. Aber ich bin nicht einfältig, nein, ich bin nicht dumm. Sie sagen, du bist nicht auf den Kopf gefallen. Diese Klugheit hast du von deiner Mutter und nicht von der Kfûri-Familie. Erkundige dich doch mal nach mir! Wenn du deine Mutter liebst, warum fragst du dann nicht nach ihr. Frag alle Leute im Dorf, alle kennen sie mich und meine Geschichte. Sie erzählen dir so viel über mich, wie du willst, und wenn du ein bisschen nachbohrst, dann erfinden sie sogar Geschichten über mich, die einem im Traum nicht einfallen würden. Ich habe eine Figur, mit der man alles tragen kann, mein Sohn, mir steht alles, und

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