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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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ihr eine Ohrfeige gegeben, damit sie wieder zu sich kommt.
    – Und wenn du seine Füße gesehen hast? Was soll das heißen?
    – Ich habe seine Strümpfe gesehen. Dunkelblaue Strümpfe mit weißen Streifen, ich kenne doch jeden einzelnen von seinen Strümpfen. Wer wäscht sie denn? Ich. Wer sortiert sie? Ich. Wer verwechselt die braunen und die beigen? Ich. Und jetzt? Wo sind die dunkelblauen? Bring mir die dunkelblauen Strümpfe, dann höre ich auf. Er hat heute die dunkelblauen Strümpfe angezogen und ist nach Burdsch al-Hawa gegangen, Muntaahaaaa …
    Da ist ihre Mutter gekommen und hat sie zuerst einmal angeschrien, sie soll aufstehen. Weil Kâmleh sich derart kindisch verhielt, hat sie wie eine Mutter mit ihrem Kind geschimpft. Sie hat die Strümpfe vom Fußboden aufgesammelt und die Schublade wieder an ihren Platz geschoben. Sie konnte es nicht ertragen, dass ihre Tochter von Schaulustigen angegafft wird. Sie hat die Nachbarn aufgefordert zu gehen, und dann haben wir auf Kâmleh eingeredet, nicht zu verzagen, weil sie sich ja vielleicht doch irre.
    – Niemand weiß etwas Genaues, es heißt, dass die Toten auf dem Lieferwagen Fremde sind.
    – Fremde?, höhnte sie, wir töten doch keine Fremden, wir töten unsere Vettern.
    – Es gibt so viele Gerüchte, glaub nicht alles, Kâmleh. Zuerst haben sie gesagt, dass unser Nachbar Abu Mansûr umgebracht wurde, aber eine halbe Stunde später ist er quicklebendig zu Hause aufgetaucht. Glaub es nicht …
    – Ich glaube gar nichts. Niemand hat mir gesagt, dass Jûssef gestorben ist, ich weiß es …
    Wir sind wieder hinaus, wir wollten ihn suchen. Wir hatten die Hoffnung, dass er nur verletzt ist, ich, Kâmleh und ihre Mutter. Drei Frauen. Die Sonne ging schon unter, wer würde uns jetzt nach Tripolis bringen?
    – Niemand außer Hamîd al-Samaani wird euch helfen!, hat man uns gesagt.
    Also sind wir zu Hamîd al-Samaani, haben ihn gebeten, uns zu fahren. Er hatte einen blauen Chevrolet, auf den er sehr stolz war und den er hütete wie seinen Augapfel. Der Anblick von Kâmleh aber hat sicher Eindruck auf ihn gemacht. Sie hatte die Augen verdreht, auf ihrem Gesicht lag ein Todeshauch. Er hat sich flüsternd mit seiner Frau beraten, bevor er eingewilligt hat, uns zu fahren. Seine Kinder hatten Angst, sie waren noch klein und steckten die Köpfe aus dem Wohnzimmer. Er ist zwar von unserer Familie, aber er benimmt sich wie ein Fremder. Seine Frau ist eine Fremde, sie kommt aus Masraa.
    Ich kann mich noch daran erinnern, dass er das Kreuzzeichen gemacht hat, bevor er mit uns aufbrach. Auf der Straße haben wir eine Militäreinheit ins Dorf fahren sehen. Kâmleh hat geschwiegen, mit verlorenem Blick.
    Wir sind in die Stadt hinunter, wir haben in allen Krankenhäusern gesucht, haben Leute getroffen, die wie wir auf der Suche waren. Man hat uns von einem Krankenhaus zum nächsten geschickt, bis wir ihn fanden, tot. Er hatte keinen Personalausweis bei sich, aber man hat uns erzählt, dass andere Leute, die wie wir nach Vermissten gesucht hatten, ihn identifiziert hätten. Deshalb hatten sie seinen Namen auf eine Karte geschrieben und ihm in die Jacketttasche gesteckt, da, wo er gerne ein Taschentuch in der Farbe seiner Krawatte hinsteckte oder eine Jasminblüte, wenn er abends ausging und sich vom Alkohol den Kopf vernebeln ließ.
    Jûssef al-Kfûri war ein hübscher junger Mann gewesen, mit blauen Augen. Ihre beiden Schwestern waren in ihn vernarrt gewesen, aber für ihn hat es auf der Welt nur Kâmleh gegeben. Kâmleh war die jüngste der Schwestern, aber sie war es, um deren Hand die Männer anhielten. Sie hatte ihn nicht gewollt, das hatte sie mir schon hundertmal gesagt. Ihre beiden Schwestern hatten sie überredet, um sie loszuwerden. Denn solange sie nicht heiraten würde, hätten sie selbst keine Chance. Er lag im Kellerraum in einem Krankenhaus. Bedeckt mit einem weißen Laken, nur Kopf und Schultern schauten raus. Er sah aus, als würde er auf dem Rücken schlafen.
    Wir haben vor ihm gestanden, und die erste Regung, zu der Kâmleh sich aufraffen konnte, war, dass sie ihm das Laken von den Füßen gehoben hat. Dann hat sie sich zu mir umgedreht und gesagt:
    – Und? Glauben Sie mir jetzt, Frau Muntaha?
    Ich habe nicht verstanden, was sie meinte, bis sie ihm die Strümpfe auszog. Ich bin in Gelächter ausgebrochen, als sie die Strümpfe an einem Ende angepackt und damit in der Luft herumgewedelt hat, als wären sie eine Kriegsbeute.
    – Glaubst du mir jetzt?
    Ich

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