Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
auf, und ich trat schnell einen Schritt zurück.
    »Jessica«, seufzte er. »Jessica, Jessica, Jessica.« In sein verrücktes Grinsen mischte sich jetzt ein Anflug von Bösartigkeit. »Das hier geht mir schön langsam auf die Eier.«
    Ich verschränkte die Hände hinter meinem Rücken, damit er nicht sah, wie sehr sie zitterten. »Entschuldigung.« Jetzt spielte ich auf Zeit. »Kann ich mal Ihre Toilette benutzen? Ich platze gleich. Danach können wir weiterreden«, sagte ich. Ich hoffte, meine Stimme klang fester, als ich mich fühlte. Irgendwo läutete ein Telefon. Er starrte mich an. Dann zuckte er mit den Schultern. »Ich glaube schon. Tanya, bring die Dame zur Toilette.« Er ging auf das Fenster zu, das hinter den Jalousien beschlug. »Was ist denn?«, bellte er in den Telefonhörer.
    Ich folgte der wackelnden Tanya, die über den Müll hinweg zur Tür stieg. Mein Herz schlug, während der Dub immer noch durch die Wohnung wummerte. Verzweifelt spähte ich in jede Tür, an der wir vorüberkamen, weil ich nach Robbie suchte, doch der ließ sich nirgends blicken. Alles, was mir einfiel, war, dass ich Silver erreichen musste. Möglicherweise war er ja noch in der Stadt. Aber ich konnte mich einfach nicht erinnern, ob er mir seine verdammte Nummer gegeben hatte.
    »Ich warte hier auf Sie. Damit Sie sich nicht verlaufen.« Tanya blieb an der Tür eines verdreckten Badezimmers stehen. Braune Farbe blätterte von den Wänden. Die Wanne war mit weiß der Teufel was verkrustet. Sie lehnte sich draußen an die Wand, während ihre scharlachrot lackierten Zehen den Takt zur Musik schlugen.
    »Danke.« Natürlich war das blöde Schloss kaputt. Ich fischte mein Handy aus der Tasche und scrollte schnell durch sämtliche Nummern. Nur das Atmen nicht vergessen. Meine Hände waren so feucht, dass mir das Handy aus den Fingern glitt. Mit einem lauten Geräusch schlug es auf dem Boden auf. Ich erstarrte zu Eis und wartete auf ein Klopfen Tanyas, doch offensichtlich hatte mich die laute Musik gerettet. Schließlich fand ich Silvers Nummer in meinem Verzeichnis. Dummerweise hatte ich nur ein sehr schwaches Netz. Das Telefon klingelte erst beim dritten Versuch. Leider ging der Signalbalken immer wieder an und aus. Als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, antwortete Silver. »Gott sei Dank«, flüsterte ich. Leider konnte Silver mich nicht hören.
    »Hallo, hallo?«, sagte er immer wieder wie ein Papagei.
    »Ich bin’s.« Ich versuchte, vor Verzweiflung nicht laut herauszuschreien. »Jess.«
    »Hallo, hallo? Jessica, sind Sie das?«
    »Natürlich bin ich es.« Ich kreischte fast, weil die Musik ohnehin immer lauter wurde.
    »Jessica, ich kann Sie nicht verstehen. Rufen Sie mich zurück, wenn Sie ein Signal haben.« Damit hängte er ein. Ich hätte fast zu weinen angefangen. Silver, Sie blöder Idiot. Wenn ich einmal Ihre Hilfe brauche … Ich versuchte, noch einmal anzurufen, aber dieses Mal bekam ich überhaupt keine Verbindung. Verdammtes Telefon. Dann versuchte ich es mit einer SMS und einer ungefähren Ortsangabe, doch auch die ging nicht über den Äther.
    »Sind Sie da drin gestorben oder was?«
    Ich sprang auf und schlug mir den Kopf an dem alten Spülkasten an. Tanya war jetzt sauer, weil sie sich langweilte, und hatte direkt vor der Tür Aufstellung genommen. »O bitte, schick das endlich ab«, flehte ich mein Handy an und streckte es so hoch wie möglich in die Luft, während ich mit der anderen Hand die Tür zuhielt. Auf Zehenspitzen versuchte ich, ein Signal zu bekommen. Tanya klopfte immer lauter. »Komm schon, Mädchen. Ich will nicht die ganze Nacht hier stehen.«
    »Ja, ja, ist schon in Ordnung«, rief ich zurück. »Lass mich wenigstens noch das Höschen hochziehen.« Ich leckte mir den Schweiß von der Oberlippe. Dann rammte ich das Telefon in die Tasche. Ich konnte nicht mehr nachsehen, ob die Botschaft durchgegangen war, denn ich musste die Tür öffnen.
    »Entschuldige«, log ich unsicher. »Mir geht’s nicht so gut. Ich habe zu viel getrunken. Und dann diese Hitze.«
    Sie zuckte mit den Achseln und trat in die Toilette, um sich in dem fliegendreckübersäten Spiegel den dunkelroten Lippenstift nachzuziehen. »Dann zieh dir doch ’ne Line rein. Das macht nüchtern.« Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich nonchalant gegen die schmutzige Wand. Mein Körper zitterte. Tanyas Augen verfolgten mich im Spiegel.
    »Eines will ich dir nur sagen: Versuch nicht, den General auszutricksen, okay? Er hat ein

Weitere Kostenlose Bücher