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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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einen so stämmigen Mann eher schrill. Er deutete neben sich auf das schweißdurchtränkte Sofa, wo ich mich hinsetzen sollte. Ich sah Robbie flehentlich an, doch der lehnte nur weiter im Türrahmen, zitternd trotz der subtropischen Hitze, und kämpfte mit seinen selbst gedrehten Zigaretten. Offensichtlich bekam er nichts mit. Langsam setzte ich mich hin und wartete.
    »Das ist meine große Schwester, Gen«, murmelte mein kleiner Bruder. »Jessica.«
    Der General musterte mich eingehend von oben bis unten. Der Blick seiner nahezu farblosen Augen konnte einen bis ins tiefste Innere erschauern lassen. Mit einem Mal fühlte ich mich nackt. Ich hielt meine Tasche vor mich hin wie einen Schild, hinter dem ich mich verstecken konnte. Als wäre sie mein kleiner Louis.
    »So groß nun auch wieder nicht, Schätzchen«, witzelte der General. Ich gab mir die größte Mühe zu lächeln, doch die Luft wurde mit jedem Augenblick dicker. Bald würde ich sie mit Händen greifen, ja schneiden können. Ich öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als Tanya mit tropfenden Bierflaschen hereinkam. Sie war fast am Tisch angelangt, als der General ihr plötzlich mit dem Stiefel in den Bauch trat. »Ich hab’s mir anders überlegt. Hol doch das Prickelzeugs. Für besondere Gäste sozusagen.«
    »Was tust du, Gen«, verzog sie ihr Schmollmündchen. Er ließ den Fuß sinken, sodass sie auf ihn fiel. Dann schob er sie mit einem Arm hoch, während seine Spinnenfinger ihr Kinn anhoben. »Ist was, Kleines?«
    Sie winselte, als sie sich freikämpfte. »Ich hol den Schampus«, murmelte sie. Der General nahm einen ordentlichen Schluck von dem Bier. Er lächelte immer noch und drehte seinen dicken goldenen Ring am Finger. Ich entschied, dass er verrückt sein musste.
    »So«, sagte er mit seiner Fistelstimme, während seine Augen sich wieder auf das Fußballspiel im Fernsehen hefteten. »Robbie sagte mir, Sie vermissen ein Baby. Ach, du verfickter Idiot! Was für ’ne Scheiße war das denn?« Er spuckte einen Schluck Bier gegen den Bildschirm. »Verdammte Schwuchtel.«
    Ein Baby vermissen.
    Ich nickte unglücklich. Schweiß tropfte von meiner Stirn auf meinen Pulli. Auch mein Rücken war nass geschwitzt. Der Typ stank meilenweit nach billigem Rasierwasser und Gefahr.
    »Und Sie hätten gerne ein bisschen Hilfe, oder?«
    »Glauben Sie denn, Sie können helfen?« Meine Stimme klang merkwürdig.
    »Ob ich glaube, dass ich helfen kann? Das würde ich doch annehmen, Schätzchen. Ich könnte den meisten Menschen helfen, wenn mir danach wäre.«
    »Wirklich?«, sagte ich höflich. Meine Haut juckte.
    »Ja, wirklich.« Er beugte sich zu mir herüber, viel zu nah, und zündete Tanyas Joint wieder an. Ich konnte unter dem abstoßenden Geruch seinen sauren Schweiß riechen. Er war genau die Art Weißer, die sich für cool, clever und schwarz hielten. Meine Alarmglocken schrillten mehr als heftig. Immer lauter hämmerte es in meinem Kopf: »Hau ab.«
    »Aber natürlich nur, wenn Sie Geld haben.« Er blies mir einen verkrüppelten Rauchring ins Gesicht. »Einen Dicken als Anzahlung, das brauchen wir hier. Oder etwa nicht, Robbie?«
    Robbie nickte. Er sah mich nicht an, als Tanya mit einem hübschen schwarzen Jungen zurückkam, der einen Eiskübel in der Hand trug. Zum ersten Mal, seit wir angekommen waren, sah ich Robbie zum Leben erwachen. Ich sah das lüsterne Lächeln, das der Junge meinem Bruder zuwarf. Da es dunkel war, bildete ich mir das vielleicht nur ein, aber ich hatte den Eindruck, dass er meinem Bruder im Vorbeigehen über die Eier streichelte. Tanya stellte den Eimer auf den Tisch und wischte etwas hinunter, das beim Aufprall einen harten Klang verursachte.
    »Ich dachte mir doch, dass du deinen Freund gerne sehen würdest.« Der General grinste Robbie anzüglich ins Gesicht. Dann öffnete er lässig die Flasche. Robbie drückte sich hinter dem Jungen hinaus in den Flur.
    »Robbie«, rief ich ihm nach. Als der General mir seinen dicken, champagnernassen Finger in den Mund steckte, würgte ich. »Gut, häh?« Er kam näher. »Sagen Sie mir jetzt nicht, dass Sie keinen Champagner mögen, Jane.«
    »Eigentlich Jessica«, murmelte ich. Am liebsten hätte ich mir den Mund ausgespült, aber ich wagte es nicht.
    »Jessica. Ist das nicht ein netter Name, Tanya?«
    »Schon möglich«, gab sie mürrisch zurück.
    »Ach, komm schon, Tan. Du hast die Gläser vergessen, du unartiges Mädchen.«
    »Bitte geh nicht, Tan«, flehte ich innerlich. Doch sie stand

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