Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
verdammt reizbares Temperament.«
    »Ach, wirklich?«, sagte ich. »Danke. Ich hatte nur gehofft … Weißt du, mein Bruder meinte, er wisse vielleicht etwas. Das ist alles.«
    »Ach ja, dein Bruder.« Sie presste die Lippen aufeinander. »Er ist ein wirklich unartiger Junge, nicht wahr? Willst du auch?« Sie hielt mir ihren Lippenstift hin. Dieses Mal nahm ich ihr Angebot an. Ich würde alles tun, um sie auf meine Seite zu ziehen. Meine Hand zitterte, als ich mir die Lippen mit »Schwarzer Narzisse« bemalte. »Eine tolle Farbe«, lobte ich sie. Ich sah damit aus wie eine Tote.
    Als wir die Treppe wieder hinuntergingen, war Robbie immer noch nirgends zu sehen. Der General hatte sich wieder dem Fußball zugewandt. »Haben Sie sich Zeit genommen zum Nachdenken?« Er sah mich nicht an.
    »Ein wenig, ja. Das Problem ist nur …« Ich lächelte ihn an und suchte in meinen Gehirnwindungen nach Lösungen. »Ach, könnte ich vorher noch einen Schluck Champagner haben? Der geht runter wie Öl.«
    Mit seiner fleischigen Hand füllte er mein Glas auf.
    »Danke. Sie sind so großzügig. Also …« Mit verführerischem Augenaufschlag nippte ich an meinem Glas. Der Lippenstift verschmierte es umgehend. »Wie haben Sie Robbie überhaupt kennen gelernt?«
    Er zog eine Grimasse. Tanyas Augen verengten sich zu fragenden Schlitzen.
    »Ich glaube, das wollen Sie nicht wirklich wissen, Darling.«
    »Oh.« Ich nippte wieder. Komm schon, Jess. Ich dachte an Louis. »Wissen Sie, ich weiß einfach nicht, was Sie mir jetzt eigentlich anbieten.« Ich legte ihm die Hand aufs Knie. Es fühlte sich so sexy an wie ein toter Fisch. Tanyas Nase lief jetzt richtig. Sie griff wieder nach dem Golddöschen. Der General zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie Hilfe wollen, werde ich sie Ihnen geben. Allerdings nicht umsonst.«
    »Ja, aber welche Art von Hilfe? Die Polizei hilft mir ja schließlich auch. Wissen Sie wirklich Dinge, die die Polizei nicht herausfindet?«
    Er lachte freudlos auf. Sein welliges Haar war feucht vom Schweiß. »Was glauben Sie wohl, Darling?«
    Tanya schnupfte jetzt direkt aus der Dose. Er fluchte und flüsterte ihr etwas zu, was ich nicht verstand, doch sie ignorierte ihn und machte weiter. Plötzlich erschien Robbie in der Tür und stolperte ins Zimmer. Er ließ sich neben mich aufs Sofa fallen.
    »Alles okay, Jess? Hat der General dir den Deal erklärt?«, stammelte er undeutlich. Mit einem schrecklichen Gefühl in der Magengrube merkte ich, dass mein Bruder vollkommen high war. Langsam schaukelte er vor und zurück. Der General, der meine Verzweiflung spürte, kicherte. »Was haben Sie denn erwartet? Einer wie der andere.« Damit nickte er zu Tanya hinüber, deren Augen weit hervortraten, wenn sie auf ihrer Lippe herumkaute. »Nicht wie Sie oder ich, Mädchen! Wenn Sie mir also das Geld geben, dann helfe ich ihm.« Er sah Robbie verächtlich an.
    »Was meinen Sie denn mit ›ihm‹? Ich denke, es geht hier um mich. Und um mein Baby!« Jetzt hatte ich aber genug. Zuerst Agnes, dann das. Warum hielt mich nur jeder für einen Trottel? Doch meine Geduld hatte Grenzen. »Also, haben Sie jetzt eine Vorstellung davon, wo Louis sein könnte, oder ist das alles nur Scheiße hier?« Ich stieß ihn weg und stand wieder auf.
    »Sie meinen wohl dieses Baby hier?« Der General fasste in seine Jeanstasche und holte etwas Verknittertes hervor, das ich nicht gleich erkannte. Ich sah es genauer an. Ein Babyfoto. Ein Foto von meinem Sohn. »Dieses kleine Herzchen? Er ähnelt seiner Mutter so sehr, nicht wahr?«
    Ich sprang ihn an. Meine Nägel schlugen sich in seinen Unterkiefer, als ich nach dem Foto grapschte. »Wo zum Teufel haben Sie das her?« Ich sprang an seinem Arm hoch, der das Foto von Louis außer Reichweite hielt. Dann schlug der General mich mit voller Kraft ins Gesicht. Sein Ring riss mir den Mundwinkel auf. Die Wucht des Schlages warf mich zurück. Dabei landete das Foto mit der Abbildung nach unten auf dem Fußboden. Ich schoss vor und griff danach, doch der General packte mit der Faust meine Haare und zog mich zurück. Dann ließ er meinen Kopf gegen die Wand knallen.
    Er war nicht allzu groß, aber natürlich viel massiger als ich, mit Muskeln wie ein Kampfhund. Und er war von einer bösen Aura umgeben. Als die Neonlichter wieder durch die Jalousien drangen, sah ich seine stechenden Augen – sie waren vollkommen leer. Er presste sich gegen mich. Ich spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging. Er war mir so nah, dass

Weitere Kostenlose Bücher