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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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habe sie gepflanzt, als wir hierherkamen. Als ich noch so voller Hoffnung war.«
    Eigentlich wollte ich jetzt nicht unbedingt von den Blumen der Liebe hören, die Mickey und seine Ex gepflanzt hatten. Oder über die Hoffnungen, die sie damit verbunden hatten. Eine Elster stolzierte über den Rasen – eine für die Sorgen, wie es im Abzählreim so schön heißt. Ihre dunklen Knopfaugen saßen tief im blauschwarzen Gefieder und suchten nach allem, was glitzerte. Im Geist beschwor ich Agnes, jetzt zu gehen.
    »Sie vermissen Ihr Kind wahrscheinlich schrecklich, oder?« Sie sah mich nicht an.
    »Natürlich. Ich kann einfach … ich funktioniere einfach nicht mehr. Ich kann an nichts anderes denken. Bis ich ihn wiederhabe.«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen.« Sie starrte weiterhin die Rosen an, dann drehte sie sich um und lächelte mich an. Sie war wirklich eine sehr schöne Frau. Nur ein bisschen – hohl.
    »Danke.« Ich versuchte ebenfalls, sie anzulächeln. »Ich sage Mickey, dass Sie ihn sehen möchten, in Ordnung? Ehrlich gesagt«, fügte ich an und merkte erst in diesem Moment, dass wirklich stimmte, was ich sagen wollte,»… ist es mir völlig egal, ob Sie mit ihm sprechen wollen. Wenn es Ihnen guttut. Das Einzige, was für mich zählt, ist, dass ich meinen Louis zurückbekomme.« Ich hielt mir den schmerzenden Kopf. Dann stand ich mit letzter Kraft auf: »Wenn Sie also nichts dagegen haben, möchte ich jetzt weiter nach ihm suchen. Danke für den Tee«, schloss ich lahm.
    Sie stand ebenfalls auf.
    »Ja, ich sollte wirklich gehen«, sagte sie. Erleichtert nickte ich und bemühte mich, mich nicht zu übergeben, weil mein Kopf zu platzen schien. Ich konzentrierte mich auf die kleine Narbe an ihrem linken Auge.
    »Viel Glück mit allem«, sagte sie förmlich, ja beinahe verlegen. Sie nahm ihre Handtasche und ihre Autoschlüssel. Dann deutete sie graziös auf meinen Kopf. Vermutlich fängt sie bald an, Pirouetten durch die Halle zu drehen, die Arme im Halbkreis erhoben. »Sie sollten einen Arzt holen. Es muss doch furchtbar weh tun?«
    »Ja, das tut es tatsächlich. Aber ich werde es nachsehen lassen.«
    Dann war sie weg.
    Als Deb meinen Kopf sah, war sie entsetzt und schleppte mich sofort zu einem Ärztepaar namens A. und E. Lewisham, wo man mich röntgte und die Wunde versorgte. »Eine leichte Gehirnerschütterung«, erklärte man, an Deb gewandt, als sei ich ein kleines Kind. »Sie dürfen sie jetzt nicht lange allein lassen.« Dann gab man mir Schmerzmittel, die so stark waren, dass ich das Gefühl hatte zu fliegen.
    Wieder zu Hause kam Leigh mit den Mädchen herüber, die sie mit dem neuesten Harry-Potter-Roman und je einem McDonalds-Menü im Wohnzimmer parkte. Die hohen Standards meiner Schwester gerieten bedenklich ins Wanken: Fastfood und streifige Kunstbräune – das ließ auf verborgenen Stress schließen.
    »Ich bleibe heute Nacht hier«, sagte sie und presste die Lippen aufeinander, bis sie nur noch ein dünner Strich waren. Heimlich freute ich mich. Die Anwesenheit der Kinder tröstete mich.
    Ich ging hinauf, um mich umzuziehen. Als ich am Anrufbeantworter vorbeikam, drückte ich auf den Knopf, um die neuesten Nachrichten abzuhören. Zuerst kam Debs Nachricht vom Nachmittag, dann – ich war schon halb die Treppe hinauf – hörte ich jemanden wie in Panik flüstern. Ich blieb stehen, drehte mich um und rannte zurück. Ich ließ die Nachricht noch einmal ablaufen und lauschte gespannt. Plötzlich wurde mir klar, woher das Miauen stammte, das ich am Tag zuvor gehört hatte. Es waren Möwen. Verdammt noch mal, das war’s. Und die panische Stimme stammte von meinem kleinen Bruder Robbie.
    »Ich weiß, wo Louis ist«, sagte er. »Ich weiß, wo er ist, Jessica.«

Kapitel 25
     
    Als Silver mit quietschenden Reifen vorfuhr, lief ich im Flur auf und ab. In letzter Zeit hatte er viel von seinem Stil eingebüßt. Ich stürzte zur Tür und riss sie auf. Einen Augenblick lang starrten wir uns wortlos an. Ich kämpfte gegen den Impuls an, mich in seine Arme zu werfen. Wir hatten gemeinsam einen weiten Weg zurückgelegt, und jetzt waren wir am Ziel. Er hatte versucht, mich durch alle Höhen und Tiefen hindurch zu beschützen. Doch ich sagte nur:
    »Kommen Sie schon.« Dann packte ich meine Handtasche und lief zum Auto hinaus. Kelly saß in einem zweiten Wagen gleich dahinter. Ich winkte ihm zu, waren wir doch alte Kampfgefährten. Er winkte zurück, beinahe lächelte er. Dann kletterte ich auf Silvers

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