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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Beifahrersitz. Deb kam vor ihm heraus. Inständig hoffte ich, dass sie mit Kelly fahren würde, doch sie klemmte sich hinter mich, was mich zu einem stillen Knurren veranlasste.
    Meine Schwester stand im Türrahmen und drückte ihre jüngste Tochter an sich. Sie biss sich auf die Lippen, dann rief sie: »Viel Glück. Wir warten hier. Ruf mich an, sobald du etwas Neues weißt, okay?« Als Silver an ihr vorüberging, klopfte er ihr beruhigend auf den Arm. Dann waren wir fort.
    Es wurde immer dunkler, als wir durch die Vorstädte fuhren. Die Wolken, die sich über der Autobahn zusammenballten, zeigten, dass der Sommer seinen Zenit überschritten hatte. Mein Magen tanzte Polka, rollte hin und her, als müsse er ein paar spielende junge Hunde beherbergen. Ich konnte kaum noch atmen und hielt meinen Inhalator in der Manteltasche fest umfasst. Ich dachte an Louis, und ich lächelte breit. Dann bohrte sich Silvers Stimme in meine Tagträume. Er wollte genau wissen, was Robbie gesagt hatte. Einmal mehr.
    »Aber Sie haben die Nachricht doch gehört, oder?«, fragte ich, irritiert von der neuerlichen Unterbrechung. Er nickte.
    »Ja, aber ich möchte herausfinden, ob Maxine bei ihm ist.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Vermutlich.«
    »Wir verhören Gorek jetzt seit mehr als vierundzwanzig Stunden. Vermutlich müssen wir ihn freilassen, weil ich ehrlich gestanden …« Er überholte einen alten Nissan, der ständig zwischen zwei Spuren wechselte. »Das ist aber nicht gut für die Straße«, schimpfte er – immer im Dienst.
    »Weil Sie ehrlich gestanden?«, hakte ich ungeduldig nach.
    »Ehrlich gestanden sehe ich nichts, was Gorek mit dem Verbrechen in Verbindung bringt, nichts außer Maxine und die Tatsache, dass die letzten Fotos in Knightsbridge aufgegeben wurden.«
    »Aber irgendetwas muss da sein.«
    »Nein, da ist nichts.«
    »Also wenn Gorek nicht ›beteiligt‹ ist, wer dann?«
    Eine vielsagende Stille kam auf. Mein Kopf schmerzte immer noch.
    »Sie glauben doch nicht … Sie glauben nicht, dass Robbie …« Ich konnte den Gedanken nicht aussprechen.
    »Jess, früher oder später werden Sie einsehen müssen, dass Ihr Bruder etwas damit zu tun hat.«
    »Muss ich nicht. Es kann gar nicht sein.«
    »Seien Sie nicht dumm. Wieso kann es nicht sein? Er hat Sie soeben angerufen und sich quasi selbst beschuldigt.«
    »Er hat angerufen, um zu helfen«, wandte ich ein.
    »Das mag schon sein, aber das ändert nichts an den Fakten.
    Wer wusste denn sonst noch über den Ort Bescheid? Das sind einfach zu viele Zufälle.« Er schaltete das Licht ein und warf einen Blick auf mich. Stur sah ich weg.
    »Sehen Sie mal, ich weiß ja, dass es weh tut, aber es ist notwendig.«
    Dieses eine Mal war ich wirklich sprachlos. Deb, die auf der Rückbank saß, legte mir sanft die Hand auf die Schulter. »Jessica, es wird schon alles gut. Wir sollten nur Ruhe bewahren.« Ich sollte Ruhe bewahren, sollte das wohl heißen. »Wir werden Robbie ja wohl bald sehen. Dann können Sie auch mit ihm reden.«
    Aber ich spürte einen dicken Kloß im Hals und obwohl ich tapfer versuchte, ihn hinunterzuschlucken und die Zähne zusammenzubeißen, stahl sich eine heiße Träne aus meinem Auge und lief mir die Wange hinab. Und schon folgte die nächste. Robbie gegen Louis auszutauschen, darauf lief es doch offensichtlich hinaus. Silver sagte kein Wort, aber vermutlich sah er die Tränen, die auf meine Jeans hinabtropften. Er legte kurz seine Hand auf meine, aber ich konnte nicht einmal die Wärme genießen, die in dieser Geste lag. Und so saß ich betäubt da, bis Deb sich wieder zurücklehnte und Silver seine Hand zurückzog.
    Der Wagen knirschte über den Kies und hielt genau an der Stelle, an der Silver und ich vor wenigen Tagen unsere Pommes verzehrt hatten. Einen Augenblick lang überflutete mich das Entsetzen, als mir klar wurde, wie nah ich Louis gewesen sein musste. Und ich hatte ihn nicht gefühlt. So viel zum Mutterinstinkt. Ein immenses Schuldgefühl breitete sich in mir aus.
    Auf dem Parkplatz standen weit weniger Autos als beim letzten Mal. Der Abend kam, außerdem waren in den letzten Tagen die Temperaturen massiv gefallen. Die Ferienzeit ging dem Ende zu.
    Um die Cottages herum parkten Polizeiwagen. Uniformierte Polizisten patrouillierten aufmerksam auf und ab, als warteten sie auf ihren Einsatz bei irgendeinem Film. Das polizeiliche Absperrband flatterte im Wind, was eine kleine Gruppe Neugieriger aus der Umgebung angelockt hatte, die sich wie

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