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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Stress bald zusammenbrechen würde. »Jessica, es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin. Ich konnte einfach nicht warten. Ich muss unseren Jungen finden.«
    Er hörte sich an, als stünde er mitten auf einer viel befahrenen Straße, aber das konnte doch nicht sein. Er hatte doch gerade erst das Haus verlassen.
    »Wo bist du, Mickey?«, fragte ich. »Shirl sagte, du siehst nicht besonders gut aus. Komm doch zurück, und wir suchen zusammen, in Ordnung?« Ich fühlte mich, als müsse ich jemanden beruhigen, der auf einem Horrortrip war.
    »Jess, ich bin hinter …« Das verdammte Telefon rauschte. Seine Stimme war mal zu hören, dann wieder nicht. »Ich misstraue …« Schon war er wieder weg.
    »Was? Mickey?«, schrie ich. »Ich verstehe dich nicht. Wohin willst du? Sag mir doch, wo du bist.«
    »Ich bin auf dem Weg nach …«
    Ganz leise hörte ich die Hintertür quietschen. Eine Gänsehaut überlief mich. Ich sah hinter mich. »Shirl?«, rief ich.
    Niemand da. Trotzdem war im Flur ein leichter Luftzug spürbar. Meine Beine zitterten.
    »Mickey«, sagte ich wieder. »Sag mir nur, wo du gerade bist, in Ordnung? Dann komme ich und hole dich ab …« Aus der Küche erklangen Schritte. Ich erstarrte zu Eis.
    »Wer ist da?«, flüsterte ich. Die Gänsehaut verstärkte sich. Mickey redete am anderen Ende der Leitung. Er sagte etwas über Agnes, aber ich hörte nur mit halbem Ohr zu, weil ich versuchte, weitere Geräusche zu erlauschen. Irgendjemand war im Haus.
    »Bleib dran, Mickey. Hier ist jemand«, zischte ich leise. Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich einen Schatten sah, der sich über meinen eigenen legte. Dann spürte ich einen Schlag. Ein fürchterlicher Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus. Ich schrie auf und ließ den Kopf auf die Brust sinken, dann ging ich zu Boden. Um mich drehte sich alles.
    Als ich wieder erwachte, wusste ich zuerst nicht, wo ich mich befand. Etwas lag über meinem Gesicht. Als ich mich bewegte, erklang ein Geräusch, als würde man frischen Speck aus einer Plastiktüte schälen. Ich sabberte wie ein Neugeborenes. Etwas Warmes, Klebriges lief mir die Wange hinunter. Warum nur war es hier so dunkel? Ich versuchte, meinen Kopf zu heben, doch der schmerzte so heftig, dass ich ihn wieder sinken ließ.
    Nach einer gewissen Zeit versuchte ich es erneut. Ich lag auf dem Boden in meinem Flur – und es war überhaupt nicht dunkel. Ich hatte im Fallen den Garderobenständer mitgerissen, der auf mich gefallen war. Ich legte meine Hand an die Wange und zog sie wieder zurück, wobei ich versuchte, einen Blick auf die Flüssigkeit zu erhaschen, die dort Flecken machte. Sie sah dunkel aus. Wohl Blut.
    Irgendwo klingelte das Telefon, doch es hörte sich ganz weit weg an. Der Anrufbeantworter sprang an, und meine fröhliche Stimme, meine falsch-fröhliche Stimme bat vor dem Hintergrund von Louis’ Glucksen um eine Nachricht. Dann hörte ich Debs Stimme aus weiter Ferne. Sie bat mich, sie anzurufen. Warum sie heute noch nichts von mir gehört habe. Sie mache sich Sorgen. Es gäbe da bestimmte Entwicklungen – ich solle sie unbedingt anrufen, sobald ich die Nachricht abgehört habe.
    Und dann hörte ich ein Klopfen im Raum. Jemand klopfte. Ich versuchte aufzustehen, doch es tat so verdammt weh, dass mir fast übel wurde. Ich zwang mich zum Sitzen. Nach einer Weile rief ich: »Warten Sie. Ich komme schon.« Nach einer Ewigkeit kroch und krabbelte ich auf allen vieren durch den Flur. Als ich an der Eingangstür war, zog ich mich am Türgriff hoch. Ich schaffte es, die Tür zu öffnen. Niemand da.
    Keuchend ließ ich mich wieder zu Boden sinken. Ich wusste, dass ich das Telefon erreichen musste. Ich musste jemandem Bescheid geben, erzählen, was passiert war. Doch der Schmerz, der sich in meinem Kopf erhob, sobald ich mich bewegte, machte dies unmöglich.
    Und dann hörte ich wieder die Hintertür, wie sie quietschend aufschwang. Ich machte mir fast in die Hosen und flehte Gott an, mich zu beschützen. So schnell ich konnte, robbte ich Richtung Telefon. Flüchtig dachte ich daran, die Lampe zu packen, mich zu verteidigen, zurückzuschlagen, doch bevor ich am Tischchen ankam, schwang die Küchentür auf, und ein Schatten fiel in den Flur. Ein Mensch kam auf mich zu und beugte sich über mich. Agnes.
    Sie machte mir in meiner Küche Tee – der Küche, die einst die ihre war. Wie eine Tänzerin bewegte sie sich, in ihren High Heels immer auf den Fußballen, sodass man hätte meinen können, es sei

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