Morgen früh, wenn Gott will
neben mich quetschte, sodass ich seinen alkoholisierten Atem roch. Der sich in der Polizeidienststelle unmittelbar hinter mich stellte und seine Hand besitzergreifend auf meine Schulter legte. Damals fühlte ich mich dadurch beschützt. Ich glaube, ich stellte mir sogar vor, wie seine Finger über meine knospenden Brüste wanderten. Sein rotes Haar war mit Hilfe eines süßlich riechenden Gels glatt an den Kopf gekämmt. Erst als er mir scheinheilig vorschlug, ich solle ihm bei den Ermittlungen »helfen«, und mir dabei auf schlüpfrige Weise zublinzelte, denn dann könne »er mir auch helfen, kleine Lady«, erst da merkte ich, dass ich einen furchtbaren Fehler begangen hatte.
»Bei mir brauchst du nicht die Unschuldige zu spielen, kleine Schlampe«, zischte er. Er hielt mich an den Handgelenken, aber so fest, dass ich davon später Blutergüsse bekam. Seine Spucke sprühte über mein Gesicht, bevor der diensthabende Polizist mit Tee zurückkam und ich ihm sagen konnte, er solle doch bitte Abstand halten. Ich dachte, ich hätte noch mal Glück gehabt, ging nach Hause und nahm mir vor, alles zu vergessen.
Aber Jones kam wieder. Er suchte uns in unserer Wohnung auf, angeblich, um sich zu entschuldigen. Meine Mutter war im Pub, und ich ließ ihn herein, weil er schwor, er käme, weil er Beweise habe, dass mein Vater unschuldig sei. Darauf fiel ich herein. Ich machte ihm sogar Tee, und er trank einen Schluck von Mamas Gin. Er witzelte noch, dass der Gin wohl meiner Mutter Ruin sei. Seitdem hatte ich nie mehr Gin getrunken. Gott, ich war ja so dämlich. Und so verdammt vertrauensselig. Sogar als er auf dem alten Sofa näher an mich heranrückte, rückte ich einfach nur weiter, bis ich mich nur noch an die Lehne quetschen konnte. Ich hatte Angst, seine Gefühle zu verletzen, und wollte unbedingt wissen, was er denn über meinen Vater Entlastendes herausgefunden hatte. Er fühle sich schuldig, weil er so gemein zu mir gewesen sei, ich erinnere ihn immerhin an seine eigene Tochter. Das sagte er, und als er mich völlig eingelullt hatte, warf er sich auf mich, ja über mich. Ich wand mich unter seinem enormen Gewicht und kämpfte, was ich nur konnte, doch am Ende war ich fast so weit, dass ich aufgegeben hätte … wenn da nicht Robbie gewesen wäre. Robbie schoss plötzlich schreiend durchs Wohnzimmer, packte den Lieblingsglaselefanten meiner Mutter und ließ ihn auf Jones’ Kopf niedergehen, wo er auf der kahlen Stelle in der Mitte des Schädels zerschellte. Das mussten wir ihr erklären, als sie nach Hause kam.
Da war Constable Jones schon wieder verschwunden. Meine Mutter hatte nie erfahren, dass er uns an jenem Abend einen Besuch abgestattet hatte. Er hatte uns gedroht, er würde Robbie wegen Körperverletzung anzeigen. Offensichtlich hatte er jedoch innerhalb der Polizei schon einen gewissen Ruf weg, denn als ich mich einmal nach ihm erkundigte, hörte ich, dass er aufs Land, ins tiefste Surrey, gezogen war. Vorzeitiger Ruhestand. Dort konnte er mit seinen Kollegen Golf spielen. Der Schaden an uns Kindern war allerdings angerichtet. Wie hätten wir der Polizei je wieder vertrauen können?
Und dann lief mir Silver über den Weg. Ich dachte an seine Güte, an sein Engagement in meinem Fall. An seine Wärme und Verlässlichkeit. Daran, dass ich mich das erste Mal in meinem Leben auf einen Mann verlassen hatte, der mich nicht im Stich gelassen hatte. Ich hatte ihm vertraut, und am Ende war dies genau das Richtige gewesen. Ich dachte an Silver, und es tat mir weh, dass er jetzt nicht mehr da war. Ich sagte mir, das sei, weil er mir der Vater gewesen war, den ich nie gehabt hatte. Doch ich wusste, dass das eine Lüge war.
Wie aufs Stichwort fing Louis im Nebenzimmer zu weinen an. »Ich komme«, rief ich meiner Mutter und meinem Baby zu. »Bin schon unterwegs.«
Meine Mutter weinte wieder und drückte den verwirrten Jungen an ihre knochige Brust. Ihre Tränen tropften auf seinen flaumigen Kopf. Er aber sah mich an und strahlte. Wie schnell wahre Unschuld doch vergaß.
»Keine Angst, sie kommt schon wieder in Ordnung«, flüsterte Leigh mir zu, als ich ging. Louis saß mit gespreizten Beinen auf meinem Hüftknochen, wo er auch hingehörte. Ich umarmte meine Schwester und dankte ihr. George winkte mir vom Wintergarten aus zu und zeigte aufmunternd mit beiden Daumen nach oben. Ich hoffte nur, dass Leigh recht hatte.
Kapitel 29
Mickey schlug vor, dass wir nach Robbies Beerdigung eine Weile wegfahren sollten. Ich
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