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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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für Tag in den Arm. Und ich werde mich nie wieder beschweren, wenn ich eine Nacht zu wenig Schlaf bekomme. Aber weißt du was …«, fügte ich hinzu und kaute gemütlich den Keks zu Ende, um ein wenig Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. »Ich kann einfach nicht aufhören, an Robbie zu denken.«
    »Nun, am Ende hat er sich doch noch als hilfreich erwiesen, nicht wahr? Ich fühle mich beschissen, wenn ich an die ganze Sache denke. Eigentlich schlimmer als beschissen. Ich hätte ihm mehr vertrauen sollen.« Sie sah so traurig aus. Wieder diese ewigen Schuldgefühle.
    »Ach, Leigh«, seufzte ich. »Ich glaube, wir müssen einfach aufhören, daran zu denken.« Ich leckte meine Finger ab und putzte die Krümel von der Kuchenplatte. »Sonst werden wir niemals Ruhe finden.«
    Sie klopfte mir mit dem Geschirrtuch auf die Finger. »So etwas hätte ich gerade von dir jetzt nicht erwartet.«
    »Nun, es gibt ja immer noch genug Möglichkeiten, um uns Schuldgefühle einzureden oder nicht? Er hat einfach seine Entscheidung getroffen. Und dann musste er mit den Folgen fertig werden.« Ich reichte ihr die Kuchenplatte. »Silver hat das mit Vater herausgefunden.«
    Sie zog den Stöpsel so vorsichtig aus dem Abfluss, als handle es sich um etwas Lebendiges. »Ach ja?«
    »Ja.« Seit Tagen wollte ich seinen Namen aussprechen. Silver. Ihn aus den Augen zu verlieren war ebenfalls ein Punkt, der mich traurig machte. »Ich fand, es war an der Zeit, dass ich mich dem stellte.«
    »Das sage ich doch schon seit Jahren.«
    »Ich weiß. Aber schließlich wird der Körper deines Vaters auch nicht jeden Tag ausgebuddelt.«
    »Nein«, stimmte sie mir zu und zog sich mit dem typisch schnappenden Geräusch von Gummi die Handschuhe aus. »Sie hätten uns vorher Bescheid sagen sollen. Aber weißt du«, sie setzte den Wasserkessel auf, »sie haben ja auch nur ihre Arbeit getan. Selbst wenn sie sie schlecht gemacht haben.«
    »Das nehme ich an.« Nur war Leigh eben nicht da gewesen. Sie war schon verheiratet und sicher in ihrem neuen Leben angekommen. Ich aber erinnerte mich noch gut, wie ich aus meinem ersten angeblichen »Leistungskurs« in der Schule nach Hause kam und meine Mutter als ruhiggestelltes Wrack vorfand. Die Nachbarn tauschten flüsternde Bemerkungen in unserer Einfahrt. Die Schlagzeile der lokalen Boulevardzeitung vom nächsten Tag lautete: »Erneut Schande in Sträflingsfamilie«. Der Quadratschädel von Bulle, der mit dem Fall betraut war, stampfte durch unsere neue Wohnung, unser angeblich neues Leben und brüllte irgendetwas von »unrechtmäßig erworbenem Gut«. Er war stinksauer, dass der geöffnete Sarg nur Knochen enthielt, und stellte unser neues Heim auf den Kopf, wo er nur konnte. Mein Onkel Jack, der nebenher als Spitzel für die Polizei arbeitete, drückte sich in der Dunkelheit herum und klärte das Mysterium auf, bevor er nach Florida abhaute. Er habe, um sich die Bullen vom Hals zu schaffen, erzählt, dass mein Vater die Beute des letzten Raubzuges versteckt hätte und dass sie mit ihm begraben worden sei, bis genug Zeit vergangen wäre, um sie gefahrlos zu heben. Und dass der Leichenbeschauer, der seitdem selbst verschieden war, das Loch mit einem Stöpsel verschlossen habe. Natürlich war das alles Blech. Wir haben nie einen Penny von dem Geld gesehen. Jack hingegen trug nur nagelneue Schuhe und hatte ein neues, glänzendes Auto. Der vierzehnjährige Robbie, voller Zorn und Hormone, wollte Rache für sein niederschmetterndes großes Vorbild – unseren traurigen Vater – und suchte nach unserem angeblichen Freund. Zu spät. Als mein Bruder schließlich nach Hause kam, war er zum ersten – bedauerlicherweise nicht zum letzten – Mal sturzbetrunken. Meine Mutter seufzte und war untröstlich, als der Priester die Gebeine meines Vaters segnete und man sie wieder zur letzten Ruhe bettete. Ich glaube, sie hoffte im Geheimen, Jack würde sie mitnehmen, heraus aus all diesem Müll. Aber nun war auch Jack weg.
    Doch all das verletzte mich nicht annähernd so wie das, was danach passierte. Wenn ich an Constable Jones dachte, durchlief mich heute noch ein Schauer. Ich habe versucht, ihn aus meiner Erinnerung zu verbannen, aber irgendwo lauerte er stets im Hintergrund. Der nette Herr in mittleren Jahren, der mich tatsächlich glauben machte, ihm sei nicht egal, wie es mir ging. Der mir einredete, das Wohl meiner gequälten Familie läge ihm am Herzen. Er holte mich zum Verhör. Allein. Der sich auf dem Rücksitz des Panda hautnah

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