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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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alle ein richtiges Sonntagsessen. Die Beerdigung war so schrecklich gewesen, dass ich, nachdem ich mich wieder gefangen hatte, beschloss, dass nun etwas geschehen müsse. Ich wollte etwas Positives tun, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, um Louis’ Rückkehr zu feiern und das Wieder-Zusammenwachsen unserer Familie.
    Als ich in der Küche über dem Huhn schwitzte, assistiert von einer verkaterten Shirl, kümmerte Mickey sich um meine Mutter, wofür ich ihm dankbar war. Er verzichtete auf seine Opern-CDs und legte ihr zuliebe Countrymusik von Roy Orbison auf. Erst als er für sie »Pretty Woman« mitsingen sollte (Julia Roberts war Mutters Lieblingsheldin), gebot er solch ungebührlichem Treiben mit einer Ausrede Einhalt. Auch beim Essen saß er neben ihr und sorgte dafür, dass ihr Glas niemals leer war. Er gab ihr vom Brustfleisch (»Das beste Stück für Carol, meine beste Schwiegermutter«) und spielte dann mit ihr das Wishbone-Spiel. Als sie gemeinsam am Knochen zogen, ließ er los, damit sie gewann und sich etwas wünschen durfte. Sein Mitgefühl war ehrlich gemeint. Ich wusste, dass er dabei an seine Mutter dachte, als Ruari ertrunken war. Dass meine Mutter ihm leidtat, weil sie so vieles hatte erdulden müssen. Und Mickey konnte sie leicht um den Finger wickeln, machte ihr Komplimente über ihre grüne Bluse, die so »gut zu ihren Augen« passe (die vom Weinen ganz rot waren, aber wohl auch vom Zigarettenrauch, wie ich bemerkte, als ich mein Weinglas viel zu schnell leerte). Ich sah Mickey an und dachte daran, wie es war, als ich mich in ihn verliebt hatte, so schrecklich und kopflos in ihn verliebt hatte. Jetzt waren wir einander verbunden, durch unsere Tragödien, durch den Verlust unserer Brüder. Auf der anderen Seite des Tisches stritten George und Gary über Billard, so als seien nur sie in der Lage, es richtig zu spielen. Leigh erzählte meiner Mutter von ihrem letzten Friseur, den sie super fand. Ihre Töchter fütterten Louis mit gekochten Karotten. Wenn er alles wieder ausspuckte, lachten sie und fingen wieder von vorne an. Ich sah sie alle an und dachte, dass ich so etwas noch nie gehabt hatte. Dann merkte ich plötzlich, wie Mickey mich mit verschleiertem Blick musterte. Er hob sein Glas und prostete mir zu. Mit einem Mal fiel mein Blick auf Shirl, die ihm dabei zusah.
    Ich ging hinaus in die Küche, um die Vanillecreme fertig zu machen. Shirl folgte mir mit einem Stapel schmutziger Teller, ein wenig schwankend auf ihren Plateau-Absätzen.
    »Schön, dass alle wieder zusammen sind, oder, Herzchen?« Dabei angelte sie das letzte Stück Röstkartoffel aus der Backform. »Mickey scheint ja sehr verliebt zu sein.«
    Ich errötete. »Wirklich?«
    »Vielleicht war es das, was er brauchte, ein ordentlicher Schock«
    »Shirl!«
    »Damit meine ich nicht die Geschichte mit Louis, sondern …« Nachdenklich schob sie sich den letzten Rest der Kartoffel in den Mund.
    »Was dann?«
    »Ach, ist nicht so wichtig.«
    »Was geht dir denn schon wieder im Kopf um?« Ich stand an der Anrichte und rührte die Vanillecreme, aber irgendwie wollte sie nicht fest werden. »Warum ist das Zeug nur so dünnflüssig? Verdammt, ich kriege diese Vanillecreme nie richtig hin.« Ich füllte ein Becherglas mit dem Rest des Weines und trank. »Möchtest du eine Vanillesuppe à la Jessica zu deinem Apfelkuchen?«
    »Je nun, ich glaube nicht, dass du dich je als würdige Nachfolgerin der letzten Göttinnen des Herdes erweisen wirst.« Shirl spähte mir über die Schulter. »Dann versuchst du jetzt also, alles wieder zum Laufen zu bringen? Da.« Sie nahm mir den Schneebesen aus der Hand und zwang die Vanillecreme mit unbarmherzigen Schlägen zur Unterwerfung.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Mit Mickey. Bei euch ist also wieder alles in Ordnung?«
    »Warum auch nicht?«, fragte ich bedächtig.
    »Ach, nur so.«
    »Los, Shirl, spuck’s schon aus, um Himmels willen.«
    Theatralisch blickte sie über ihre Schulter, bevor sie zu sprechen anfing. »Oh, ich dachte nur an den niedlichen Polizisten. Ich habe mich nur gefragt, ob du nicht traurig bist, dass er weg ist.«
    Ich öffnete die Geschirrspülmaschine und stellte in schnellem Rhythmus alle Teller ein. »Und wenn?« Glücklicherweise hingen mir in diesem Moment die Haare ins Gesicht.
    »Ich dachte ja nur, dass du vielleicht … nun ja. Ein wenig mehr gewollt hast.«
    Manchmal, nur manchmal wünschte ich mir, meine beste Freundin wäre nicht ganz so direkt.
    »Shirl«, sagte

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