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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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einzigen Kind. Das also war Mutterliebe. Sie tat höllisch weh. Sie würde mich das Leben kosten, das wusste ich jetzt.
    »Bitte«, flehte ich und hörte meine raue, brechende Stimme. »Bitte lassen Sie mich nachsehen. Nur fünf Minuten.« Er sah mich an. Offensichtlich spürte er meine Verzweiflung, denn er nickte. Er nahm meinen Arm, und wir gingen auf und ab und sahen uns um. Ich fühlte, wie er versuchte, mich nicht herumzuführen, sondern mich die Richtung wählen zu lassen. Und ich sah, dass rundherum alles sauber war. Hier war kein Baby. Mein Baby war nicht hier.
    Doch ich konnte es einfach nicht ertragen zu gehen. Ich entwand mich seinem Griff und sank zu Boden. Ich legte meinen Kopf auf den von der Sonne noch warmen Teer. Ich weinte lautlos. Meine Hände legte ich flach auf den Boden, als könnte ich die Erde aufreißen und sie um meinen Kopf schlingen. Ich fragte mich, was ich falsch gemacht hatte, dass ich meinen Sohn verlieren musste.
    Schließlich ließ ich mich von dem Polizisten aufsammeln. Sanft klopfte er mich ab, als wäre ich ein Kind, ein noch kleines Kind. Dann führte er mich an der Hand zum Auto, wo Leigh wartete und in der warmen Nacht nervös eine Zigarette nach der anderen rauchte. Sie sah mein Gesicht und machte die Zigarette aus. Dann reichte sie mir ein eher schmuddliges Taschentuch. Sie nahm mich in den Arm. Ungeschickt ließ ich es geschehen. Und dieses Mal stieg ich vorne ein und nahm eine der Tabletten aus Schwester Kwames Vorrat, die Leigh mir gab. Und während Silver mich nach Hause brachte, beantwortete ich all seine Fragen.

Kapitel 7
     
    Irgendjemand rief immer wieder meinen Namen. Allmählich trieb ich nach oben. Doch als ich an die schwammige Oberfläche des Beruhigungsmittels stieß, war es schon zu spät. Ich erinnerte mich wieder. Panisch versuchte ich, wieder ins Vergessen einzutauchen, doch dieses war unwiderruflich entschwunden.
    Ich legte mir die Decke übers Gesicht, bis Leigh sie mir wegzog. Sie stand über mir mit einer dampfenden Tasse in der einen und einer Tablettenschachtel in der anderen Hand. Hoffnung keimte in mir auf, und ich schoss hoch, doch Leigh beeilte sich, mir zu sagen, dass es noch nichts Neues gebe. Mickey war immer noch nicht bei Bewusstsein, Louis immer noch verschwunden, aber das konnte sich ja jede Minute ändern, oder? Leigh war auf fürsorgliche Weise munter, tatsächlich ein bisschen zu munter, und ihr Make-up war perfekt. Sie sagte, Inspector Silver sei wieder da und warte unten. Er wolle noch einiges mit mir durchgehen. Dann läutete es an der Tür, und mein Magen tat einen Sprung. Leigh ging nach unten, um zu öffnen.
    »Es ist nur Deb«, meinte sie. Gottverlassen sank ich wieder in die Kissen.
    Ich war ziemlich benebelt. Das Bett war total nass, und ich konnte mir nicht vorstellen, wieso. Dann merkte ich, dass mir die Milch auslief und das Bett durchweichte. Ich war klatschnass, Leintücher und Decken ebenso. Ich nippte an dem kochend heißen Tee und verbrannte mir den Mund. Dann presste ich meine feuchten Knie aneinander und versuchte, nicht zu zittern. Unvermittelt stand ich auf und ging in das angrenzende Badezimmer, das ich früher immer so toll gefunden hatte. Dort erbrach ich mich. Ich würgte und würgte, bis nichts mehr in mir war. Nichts außer einem hohlen, bohrenden Schmerz. Erschöpft blieb ich über der Toilette hängen. Mir ging durch den Kopf, dass ich mich wohl umbringen würde, wenn mein Kind nicht mehr am Leben wäre. Schließlich stand ich wieder auf. Ich wusch mir das Gesicht und putzte mir die Zähne. Dann nahm ich noch eine Tablette. Leigh hatte sie neben dem Bett stehen lassen.
    Ich versuchte, eine Minute lang nachzudenken, doch in meinem Kopf war nur ein Flimmern, ähnlich dem auf der Mattscheibe, wenn kein Kanal eingestellt ist. Ich nahm das Telefon und wählte die Nummer meiner Mutter in Spanien. Zuerst rauschte es in der Leitung, als riefe ich irgendwo im Weltall an, dann hörte ich George’ atemlose Stimme. Ihm erzählte ich nichts. Unsinnigerweise wollte ich nur mit meiner Mutter sprechen, doch sie war nicht zu Hause. Natürlich. Vermutlich spielte sie irgendwo Bridge, trank Gin mit ihren Freundinnen oder kaufte den tausendsten Seidenschal. Der gute, alte George, dachte ich mir und wollte erneut in Tränen ausbrechen, doch ich konnte nicht. Für den Augenblick waren mir die Tränen ausgegangen. Ich bat also, meine Mutter möge mich doch zurückrufen. Dann ging ich nach unten, um Inspector Silver zu

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