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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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eine Mal aber konzentrierte sich die ganze Aufmerksamkeit auf mich, wie sehr Leigh sich auch in den Vordergrund drängen mochte. Dabei wollte ich sie gar nicht. Ich wollte nur meinen Louis zurück, und daher versuchte ich, nicht zu flüstern, als ich sagte, was wir abgemacht hatten. Zuerst sagte Silver ein paar Worte darüber, wie wichtig in solchen Fällen die ersten vierundzwanzig Stunden seien. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was danach passieren würde. Ich riss mich zusammen und atmete tief ein und aus, um das Zittern in meiner Stimme in den Griff zu bekommen. Ich sah direkt in die Kameras, die Blitzlichter flammten im Raum auf wie ein Netz funkelnder Diamanten. Silvers Team hatte einen Text für mich vorbereitet, doch am Ende bat ich nur: »Wer auch immer mein Baby hat, bitte geben Sie ihn mir zurück. Ich will ihn einfach nur zurück. Bitte tun Sie ihm nicht weh.« Dass jemand mich dazu bringen konnte, mich zu fühlen, als würde mein Gehirn gleich explodieren! Mein Kopf schien sich mit Watte zu füllen. Alle Menschen im Raum schienen mir plötzlich unendlich weit weg, obwohl der Blick aller auf mich gerichtet war. Ich aber fühlte mich wie ein winziges Nichts in einem Meer voller Qual.
    Dann legte Inspector Silver seinen Arm um mich, und ich nahm seinen zitronigen Männerduft wahr, der mir fast ein wenig zu nahe war. Er brachte mich vom Podium weg in einen kleinen Raum, wo jemand mir wieder gezuckerten Tee brachte. Dort holte ich voller Erleichterung Schwester Kwames Tablettenschachtel heraus.
    Ich zwang mir gerade ein Sandwich hinunter, das, wie eifrig ich auch kauen mochte, wie Sägemehl schmeckte, als Deb hereinkam. Sie brachte eine Unruhe mit sich, die mir nicht gefiel, weil mein Herz sofort wie wild zu schlagen anfing, als ich sah, wie sie Inspector Silver Zeichen machte. Sein Blick glitt zu mir, bevor er zu ihr hinüberging. Dann kam ein weiterer Beamter mit einem lustigen, kugelförmigen Schmerbauch und dünnem, nach hinten gestrichenem Haar herein. Er sah besorgt aus und beugte sich zu seinem Chef hinüber. Deb löste sich aus der Gruppe und kam zu mir herüber – mit einem falschen Lächeln auf dem Gesicht.
    »Endlich essen Sie etwas, Jessica«, sagte sie, doch damit hatte ich bereits aufgehört. Mein Blick klebte an den Männern hinter ihr. Sie wusste, wohin ich meine Augen richtete, doch sie machte einfach weiter, die Gute.
    »Noch eine Tasse Tee, meine Liebe?«, fragte sie, aber ich schüttelte den Kopf. Mittlerweile floss mir der Tee zu den Ohren heraus.
    »Was ist da los?«, sagte ich und sah ihr in die Augen. Fast wäre sie rot geworden, doch sie war einfach zu gut geschult, und so blieb sie ganz ruhig und setzte sich nur neben mich. Leigh war immer noch am Mobiltelefon, als Inspector Silver auf mich zukam. Ich hätte schwören können, dass er zum ersten Mal, seit ich ihn kennen gelernt hatte, besorgt aussah. Leigh stieß ein kehliges Lachen aus, was bedeutete, dass sie mit Gary sprach, und ich hätte ihr am liebsten eine geklebt, stattdessen stand ich auf und ging zu Silver hinüber.
    »Was ist los?«, fragte ich und klammerte mich unbewusst an seinen Arm. Die Worte blieben mir fast im Hals stecken. Eigentlich wollte ich die Antwort gar nicht hören, aber natürlich fragte ich trotzdem.
    »Verfallen Sie jetzt bitte nicht in Panik, Jess«, sagte er. »Jess« hatte er mich noch nie genannt. »Bitte keine Panik, ich habe Neuigkeiten, und ich bin nicht sicher, ob diese gut für uns sind. Setzen wir uns erst einmal.«
    Ich blieb stehen. »Sagen Sie’s einfach. Ich bin kein Kind mehr, wissen Sie.« Doch meine Hand, die sich am teuren Stoff seines Anzugs festklammerte, war schweißnass.
    »Offensichtlich hat jemand … einen Buggy gefunden. Einen Buggy und eine Tasche«, sagte er beinahe widerwillig. »Können Sie mir bitte Ihren Buggy beschreiben?«
    »Louis’ Buggy? Beschreiben?«
    »Ja, bitte, Jessica. Wenn Sie das tun könnten.«
    »Er ist blau«, flüsterte ich dümmlich. »Blau, weil es ein Junge ist. Es ist diese Marke …« Doch mein Gehirn setzte aus. Verzweifelt suchte ich nach dem Namen. »Wie die Rennwagen.«
    Der andere Polizist kam Inspector Silver zu Hilfe. »War die Tasche grün? Eine Wickeltasche?«
    »Nein!« Erleichterung überflutete mich. »Nicht grün. Seine Tasche ist leuchtend rot! Das ist nicht meine, Gott sei Dank. Meine Wickeltasche ist leuchtend rot. Mit einem … sie hat einen großen Reißverschluss, der sich über die Vorderseite zieht.«
    Der andere Mann

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