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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Luft. Immer noch feucht von der Dusche, zog ich mir ein altes rotes Sommerkleid über, das ich schon seit Ewigkeiten hatte, und stopfte mir Papiertaschentücher in den BH, die die auslaufende Milch aufsaugen sollten. Dann rollte ich meine klebrigen, schwarzen Haare zu einem Dutt zusammen. Schwester Kwames Tablettenschachtel lachte mich vom Nachttisch aus an. Ich hatte schon die Hand danach ausgestreckt, griff aber stattdessen nach einem Foto von Louis. Ich setzte mich auf mein Bett und starrte das Bild an, als könne ich ihn durch schiere Willenskraft zurück in mein Leben holen.
    Ich glitt neben Silver auf den Beifahrersitz. Er würde mich ins Krankenhaus zu Mickey bringen. Die Straßen waren leer. Nur vor dem Pub standen Leute, die tranken, lachten, flirteten und um den nahezu ausgetrockneten Teich herumstanden, auf dem sich eine einsame Ente treiben ließ. Wer waren all diese Menschen, die so unbeschwert ihr Leben führen konnten, während meines gerade zerbrach?
    Silver beugte sich vor und schaltete den Polizeifunk aus und das Radio ein. Ich hatte ihn noch nie ohne Jackett gesehen, was mir nicht gefiel. Irgendwie sah er unfertig aus. Die traurige Stimme von Billie Holiday klagte um ihre verlorene Liebe. Ich sah den Polizisten an meiner Seite mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie auf Blues stehen.« Ich öffnete das Fenster, so weit ich konnte. Der Windstoß, der hereinfuhr, wehte mir das Haar ins Gesicht.
    »Wirklich? Wo hätten Sie mich denn hingesteckt?«
    Ich spuckte eine Haarsträhne aus, die den Weg in meinen Mund gefunden hatte, und sah ihn an. »Nun ja, für ein Indie-Kid sind Sie zu alt.« Er prustete los. »Nur weil ich irgendwo bei Manchester geboren bin, heißt das noch lange nicht, dass ich Oasis-Fan sein muss.«
    »Das ist aber nicht, was ich als Indie bezeichne, mein Lieber«, sagte ich. »Ein ganz kleines bisschen veraltet. Aber das ist man wohl, wenn man Ordnungshüter ist.« Ich machte eine Bewegung Richtung Funkgerät. »Sie kriegen doch keinen Ärger, wenn Sie das da nicht einschalten?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Sie rufen mich ohnehin an, wenn sie mich brauchen. Ich wollte mit Ihnen reden. Ohne unterbrochen zu werden.«
    »Oh.« Trotz der Hitze lief mir ein Schauer über den Rücken. »Das hört sich geheimnisvoll an.«
    Wieder zuckte er mit den Schultern. »Nicht wirklich. Es ist nur schwer, Sie für sich zu haben.«
    »Oh, Herr Polizeibeamter, so etwas sollten Sie nicht sagen!«, flötete ich.
    Sobald es raus war, tat es mir leid. »Entschuldigung«, murmelte ich. »Das war ein Witz.«
    »Ich meinte, dass Sie ein großes Geheimnis aus sich machen.«
    »Ein Geheimnis?«
    »Ja.«
    »Ist das wieder einmal eine von Ihren Anspielungen, Inspector Silver?«
    »Ich weiß nicht. Was denken Sie?«, antwortete er liebenswürdig. Zum Teufel! Er brachte mein Temperament wirklich in Wallung. Da ich nicht zu antworten wagte, legte sich ein stickiges Schweigen über uns. Er lenkte den Wagen mit einer Hand, während er die andere locker aus dem Fenster hängen ließ. Wie eine Erstickende sog ich die Luft ein, die durch das offene Fenster hereindrang. Wir ließen Blackheath hinter uns und damit die vornehme Oase, in die mein Mann mich gebracht hatte, und fuhren nach Deptfort und New Cross weiter. Das Ödland, wie Mickey es mit trockenem Lachen nannte, das Belfast viel ähnlicher war als der Ort, an dem wir momentan lebten.
    Eine Frau in einem dunkelblauen Kombi schloss zu uns auf. Auf der Rückbank kabbelten sich die älteren Kinder, dazwischen lag ein Baby. War Louis vielleicht in einem ähnlichen Wagen? Meine Augen suchten jeden entgegenkommenden Wagen nach ihm ab. Ich überließ mich gerade diesen Gedanken, als Silver mit seiner Frage dazwischenfunkte und meinen Kopf, in dem ohnehin alles durcheinanderging, in die Wirklichkeit zurückholte. Meine Gedanken wandten sich gerade Louis zu, als Silver mit seiner Frage den Gedankenfluss in meinem verwirrten Kopf zum Stillstand brachte.
    »Korrigieren Sie mich, wenn ich mich täusche, aber ich habe den Eindruck, dass die Dinge zwischen Ihnen und Mr Finnegan, nun …« Er legte eine kleine Pause ein.»… nicht eben zum Besten standen?«
    »Ach, haben Sie den?« Er hatte mich schon wieder auf dem falschen Fuß erwischt. »Ich wusste gar nicht, dass Eheberatung mit zu den Dienstleistungen der Polizei gehört.«
    »Das tut sie auch nicht. Es war nur einfach eine Beobachtung.«
    »Ja, und als solche ziemlich dumm.« Ich schlug

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