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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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die Arme über meinen schmerzenden Brüsten übereinander.
    »Sehen Sie, Mrs Finn … Jessica, ich tue doch nur meine Arbeit. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie Jessica nenne?« Er wartete die Antwort nicht ab. »Ich muss einfach alles wissen, was irgendwie mit Louis’ Verschwinden zu tun haben könnte.« Er fluchte leise, weil ein Lieferwagen uns schnitt. »Das ist Ihnen doch sicher bewusst?«
    Etwas in der glatten Selbstsicherheit dieses Mannes brachte in mir die niedersten Triebe zum Vorschein. »Ja, das ist mir durchaus bewusst.«
    »Wenn Sie also so ehrlich wie nur irgend möglich antworten, dann hilft uns das. Und ich schwöre Ihnen, ich werde nichts weitersagen.«
    »Wie beruhigend.«
    Nun hatte ich ihn zum Lächeln gebracht. Seine Zähne waren so strahlend weiß, dass man glaubte, in die gleißende Sonne zu sehen.
    »Haben Sie die irgendwie behandeln lassen?« Ich konnte einfach nicht anders.
    »Was?«
    »Ihre Zähne?«
    Irgendetwas stahl sich in sein breites Lächeln. »Mit dem Gehalt eines Polizisten? Wohl kaum. Einfach nur gute Gene, Kindchen.« Pause. Er sah mich erwartungsvoll an. Ich lächelte höflich zurück.
    »Also, zurück zu Ihnen und Ihrem Mann«, fing er wieder an.
    »Was soll mit uns sein?«
    »Bitte, erzählen Sie mir davon.«
    »Ich muss schon sagen, Inspector Silver …«
    »Joe.«
    »Ich muss schon sagen, Inspector Silver, ich weiß nicht, warum Sie denken, dass die Dinge zwischen Mickey und mir nicht zum Besten standen, vor allem, da er ja, seit Sie uns beide kennen, immer im Koma lag.«
    »Da haben Sie natürlich recht«, stimmte er mir zu. »Warum erzählen Sie mir dann nicht, wie es in Wirklichkeit war?«
    »War?«
    »Entschuldigung. Ist.«
    Wir hielten an einer Ampel. Mit versteinertem Gesicht hatte ich mich abgewandt. Die Luft zwischen uns war so dick, dass man sie hätte schneiden können.
    »Danke der Nachfrage. Es ist gut. Bestens.«
    »Wann haben Sie sich kennen gelernt?«
    »Vor etwa zwei Jahren.«
    »Wo?«
    »Ich habe für ihn gearbeitet. Er hat seine eigene Firma. Grafik.«
    »Die gut läuft, nach den Statussymbolen zu urteilen.« Er bog ab. War ich in seinen Augen etwa ein Statussymbol?
    »Es geht ihm ganz gut.«
    »Also sind Sie Designerin? Künstlerin?«
    »Künstlerin wohl kaum, auch wenn ich es gern wäre. Ich war Assistentin. Er sollte … ich wollte etwas dazulernen. Damals habe ich noch studiert. Als ich schwanger wurde, fand Mickey, ich sollte bei Louis zu Hause bleiben.« Wieder plagten mich Schuldgefühle, als ich daran dachte, mit wie viel Widerwillen ich meine gerade erst begonnene Karriere für ein Dasein als Mutter aufgegeben hatte. Wie ich, als die Depressionen einsetzten, ihn angefleht hatte, mich doch wieder ins Büro gehen zu lassen. Dort fühlte ich mich sicherer als ganz allein zu Hause mit meinem Kind.
    Ohne die geringste Vorwarnung wechselte er die Gangart. »Es war also Liebe auf den ersten Blick?«
    Unwillkürlich musste ich lachen. »Was soll das denn? Ist das hier eine Seifenoper, oder was? Lieber Himmel, Silver. Billie Holiday und die Sucht nach einem Happyend! Als Nächstes werden Sie fragen, ob er mich auf Knien um meine Hand bat?«
    »Nun, hat er?«
    »Nein, hat er nicht.« Ich hätte schwören können, dass er absichtlich so schnell abbog.
    »Dann war es also Lust?«
    Ich drehte mich zu ihm, soweit der Sicherheitsgurt dies zuließ. »Entschuldigen Sie bitte, aber was hat das alles mit Louis zu tun? Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber was zum Henker geht Sie das an?«
    »Hüten Sie Ihre Zunge, Jess!«
    »-ica.«
    »Was?«
    »Jess-ica. Niemand nennt mich Jess außer die mir nahe stehenden Menschen.«
    »Mickey zum Beispiel?«
    »Mickey was?«
    »Er nennt Sie ›Jess‹?«
    »Vielleicht. Manchmal.« Mickey nannte mich niemals Jess. »Und vielleicht war es ja Lust«, zischte ich. »Tatsächlich war es das. Wirkliche Lust. Der reine, unverfälschte, nicht jugendfreie Stoff. Den Sie ja sicher auch kennen.«
    Genauer gesagt war ich im siebten Monat schwanger, als wir heirateten. Die große Hochzeit, von der ich immer geträumt hatte, fand nicht statt. Sie war vielmehr klein und unspektakulär. Die wunderbare Robe war ein peinliches Umstandskleid. Eine intime Hochzeit, meinte Mickey und küsste mich auf den Scheitel. Aber schön, fügte er hinzu und streichelte meinen Bauch. Das Schönste war die Ankunft in dem piekfeinen Hotel gewesen, das Mickey für uns gebucht hatte. Das Blakes Hotel in Kensington, sehr gediegen und vornehm. In

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