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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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fassen, meterhoch über dem Boden der Tatsachen.
    »Die Polizei hat mich gar nicht danach gefragt.«
    »Wonach?«
    »Nach dem Pass.«
    »Tja«, ich zuckte mit den Schultern. »Die Polizisten scheinen heutzutage überhaupt eine Menge zu vergessen.«
    Er lachte sanft. »Ich habe ganz vergessen, wie sehr du die Polizei hasst.«
    »Ich hasse sie nicht«, sagte ich, obwohl ich ja noch wusste, wie ich zu Anfang unserer Beziehung bis in die frühen Morgenstunden mit Mickey wach gelegen hatte. Wir redeten und redeten, mehr als nur ein bisschen angetrunken. Ich wusste ja noch nicht, dass ich schwanger war. Dabei erzählte ich ihm von meinen Eltern und meinen zerstörten Jugendträumen. Über Constable Jones. Jetzt musste ich dabei an Silver denken. »Ich traue ihnen nur nicht. Du weißt ja, wieso.«
    Erneut drückte er meine Hand. »O ja, ich weiß. Aber komm, Jessica, leg dich jetzt nicht mit ihnen an. Du brauchst sie auf deiner Seite.« Er hustete, was ihn wieder das Gesicht verziehen ließ. Sein irischer Einschlag war deutlicher hörbar als sonst. »Genauer gesagt, auf unserer Seite.«
    Unserer. Nur dass ich mich nicht so fühlte, als gäbe es dieses »unser«. Da war nur ich. Mit einem Schädel, der kurz vor der Explosion zu stehen schien.
    Constable Kelly hatte die drei »Spinner« interviewt – allerdings ohne großen Erfolg, wenigstens in meinen Augen. Deb, die in diesen Tagen nicht von meiner Seite wich, öffnete ihm die Tür. Er trug immer noch sein schweißfleckiges rosafarbenes Hemd vom Vortag und war ganz offenkundig völlig erschöpft. Sein Kugelbauch war schon ein bisschen kleiner geworden, doch die Eidotterflecken auf seiner Krawatte machten ihn nicht gerade attraktiver.
    Er berichtete, dass von den drei Anrufen, welchen die Polizei nachgegangen war, einer ein Flop war, weil die Dame bei der dortigen Polizei bekannt war. Sie meldete sich nach jedem Verbrechen. Die zwei übrigen, die beide aus East Sussex kamen, hatten jedoch übereinstimmende Angaben gemacht. Leider war auch darunter nichts, was uns wirklich weitergeholfen hätte. Einer der beiden Anrufer war eine ältere Dame, die in ihrem Garten Unkraut gejätet hatte, als ein metallicfarben lackierter Wagen vor der Hecke hielt. Am Steuer saß eine blonde Frau, die gestresst und verängstigt wirkte. Offenkundig suchte sie etwas auf einer Straßenkarte und tätigte dann einen Anruf auf dem Mobiltelefon. Auf dem Rücksitz schrie die ganze Zeit ein Baby. Die alte Dame erinnerte sich an diese Begebenheit, weil die Blondine so vollständig überfordert aussah, als wisse sie einfach nicht, was sie mit dem schreienden Kind anfangen solle. Sie hatte fast ins Telefon gebrüllt, obwohl man nicht verstehen konnte, was sie sagte. Dann hatte die Frau versucht, dem Kind die Flasche zu geben. Obwohl die ältere Dame den Rücksitz nicht hatte sehen können, hatte sie den Eindruck, als würde das Baby die Flasche ablehnen.
    Diese Neuigkeiten waren nun nicht unbedingt dazu angetan, in mir überschwänglichen Optimismus auszulösen. »Alle jungen Mütter sehen besorgt und ängstlich aus, oder etwa nicht? Ich jedenfalls mache oft einen solchen Eindruck«, sagte ich düster.
    Deb lächelte ermutigend. »Ich weiß, das hört sich nicht nach viel an, aber der zweite Zeuge hat etwas Ähnliches gesehen. Was bedeutet, dass unsere Chancen steigen.«
    Der andere Zeuge war ein Student am dortigen College. Er war von einer Frau in einem silberfarbenen Auto angehalten worden, die ihn nach dem Weg fragte. Auf dem Rücksitz hatte ein Baby geschrien. Die Frau hatte das Fenster nicht ganz geöffnet, und das Kind lag im Schatten, sodass er es nicht richtig sehen konnte. Trotzdem war es merkwürdig gewesen. Die Frau hatte ihn während des Gesprächs nicht angesehen. Anfangs hatte er noch gedacht, dies sei aus Sorge um das schreiende Kind geschehen. Sie fragte nach der Straße nach London. Er erinnerte sich nicht mehr gut, glaubte aber, dass sie einen weiten Mantel getragen habe, was schon wegen des Wetters komisch war. Außerdem hatte sie eine Sonnenbrille aufgehabt. Sie habe, so meinte er, einen Akzent gehabt, den er nicht ohne weiteres habe einordnen können. Möglicherweise amerikanisch.
    »Und jetzt?«, fragte ich hilflos. In meinem Kopf machte sich das Bewusstsein breit, dass es jetzt schon achtundvierzig Stunden her war, seit das Video mit Louis gedreht worden war.
    »Wir versuchen, die Frau aufzuspüren. In den Lokalnachrichten werden alle Frauen, auf welche die Beschreibung passt,

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