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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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aufgefordert, sich bei der Polizei zu melden, um als Verdächtige ausgeschlossen werden zu können. Wir versuchen, das Auto zu finden. Ich weiß, das ist nicht viel, aber es ist besser als nichts.«
    »Und wo ist der Chef?«, fragte ich beiläufig.
    »Er geht anderen Spuren nach«, antwortete das Kugelbäuchlein und ließ es dabei bewenden.
    Als Constable Kelly gegangen war, hatte er anscheinend all meinen Lebensmut mitgenommen. Deb hatte eine ihrer wenigen freien Nächte, und Shirl ging mit einem neuen Kerl aus. Ich surfte ein wenig im Internet: Ich würde eine »Suche nach Louis«-Webseite einrichten und machte diesbezüglich Recherchen. Also suchte ich im Netz nach Geschichten über vermisste Kinder. Im Grunde aber wollte ich »hören«, dass all diese Kinder sicher und gesund wieder nach Hause zurückgekehrt waren – leider schien das nicht der Fall zu sein. Ich las einige alte Zeitungsartikel über Frauen, die ihr Kind verloren hatten oder erst gar keines austragen konnten und deshalb Kinder raubten. Einige dieser Kinder hatte man gefunden – häufig erst nach Jahren. Andere allerdings waren nie wieder aufgetaucht. Und was noch schlimmer war: Es gab durchaus auch Kinder, die tot wiedergefunden wurden. Voller Entsetzen betrachtete ich das Bild eines süßen Babys, das man in einem Kanalisationsrohr gefunden hatte. Ich vergoss heiße Tränen um dieses noch so junge Leben, und wieder packte mich die Angst und schnürte mir die Kehle zu. Für mich war ein Glück, dass die Internetverbindung zusammenbrach, war mir doch ohnehin danach zumute, hinauszulaufen und an jede Tür zu hämmern, an der ich vorüberkam, um dahinter nach meinem Sohn zu suchen. Natürlich war dies völlig sinnlos.
    Ich hing teilnahmslos vor dem Fernseher und hörte irgendeinem TV-Experten zu, der sich darüber ausließ, wie abträglich es für Babys sei, wenn sie Tagesmütter hätten. Babygesichter gingen mir durch den Kopf, während ich eines von Maxines Hochglanzmagazinen durchblätterte. Ich fand das Bild eines Supermodels, das »nur achtundvierzig Stunden« nach der Geburt ihres zweiten Kindes schon wieder ausgeruht und perfekt gestylt an einer Show teilnahm. An irgendjemanden erinnerte mich diese Frau, aber mir wollte nicht einfallen, an wen. Lustlos blätterte ich weiter. Dann blätterte ich zurück. Das Model hieß Heidi Irgendwas. Dann fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Ich wusste wieder, wem sie ähnlich sah.
    Mit einem miesen Gefühl in der Magengrube sprang ich auf und suchte nach dem Telefon. Sie sah aus wie die Fremde im Museum, die mich so erschreckt hatte. Wieso hatte ich nur so auf der Leitung gestanden? Die Irre in der Tate Gallery. Groß und blond und ausländisch – wie die Frau im Wagen. Die Frau mit dem Baby.
    Als ich durch den Flur eilte, um das Telefon zu suchen, merkte ich plötzlich, dass es zog. Oben schlug eine Tür zu. Ein lautes Scheppern, gefolgt vom Geräusch zerbrechenden Glases. Vermutlich war ein Bild von der Wand gefallen, als die Tür zuknallte. »Super«, grummelte ich. Aber ich würde mich nicht von meiner Aufgabe abbringen lassen. Ich musste das Telefon finden.
    Dann hörte ich Schritte und einen leisen Fluch, irgendwo über mir. Wie angewurzelt blieb ich stehen, nur mein Magen krampfte sich vor Furcht zusammen. »Maxine?«, rief ich ängstlich. Nur müsste Maxine eigentlich im College sein, in ihrem Abendkurs. Es kam ohnehin keine Antwort. Mein Blick fiel auf das gesuchte Telefon. Ich griff danach, während ein winziger Schweißtropfen von meiner Stirn perlte und auf eine der schwarzen Bodenfliesen fiel. Ich drückte den Knopf, um eine Leitung zu bekommen – da hörte ich die Stimme.
    Zunächst dachte ich, ich habe die falsche Leitung erwischt, doch ich merkte schnell, dass jemand von meinem Anschluss aus telefonierte. In meinem Haus. In einer Sprache, die ich nicht erkannte. Ein Adrenalinstoß ging durch meine Adern. Leise schlich ich zur Haustür. Ich legte die Hand auf die Klinke und brüllte dann ins Telefon: »Wer zum Teufel sind Sie?« Verblüffung und Stille. Dann ein Klick, als würde am anderen Ende eingehängt. Ich hörte ein Räuspern, dann vernahm ich, wie jemand radebrechte: »Entschuldigen Sie, Madam, hier ist Gorek Patuk.«
    »Wer?«
    »Maxines Freund.«
    »Maxines Freund?«, wiederholte ich erstaunt. »Wo genau sind Sie, Gorek?«
    »Oben«, sagte er, als sei das völlig normal. »Ich bin oben.«
    »Ah ja«, antwortete ich und versuchte, mich zu fassen. »Nun, könnten Sie

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