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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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ordert er nur kleine Mengen Schnittblumen. Die Menschen leben draußen, jedenfalls die, die einen Garten oder Balkon haben. Topfpflanzen gehen um diese Jahreszeit, Topfpflanzen, die in allen erdenklichen Farben blühen. Die LKWs fahren dann die Großmärkte in Nordrhein-Westfalen an, wo die Ware weiterverkauft wird.
    Die Verkaufspreise lässt er offen. Es kommt darauf an, für wie viel Daniel die Ware einkaufen kann. Er handelt dann den Verkaufspreis aus, dafür hat er ein Händchen.
    Daniel ist erst dreiundzwanzig Jahre, aber er versteht das Geschäft. Seine Ausbildung als Groß- und Außenhändler hat er in einem Fahrradgroßhandel gemacht. Daniel hatte zu Hause lernen wollen, aber Wolfgang hatte darauf bestanden, dass sein Sohn erst mal einen anderen Betrieb kennenlernen sollte. Das war richtig gewesen, wie sich schon bald herausstellte. Nicht, dass der Fahrradgroßhandel eine tolle Firma gewesen wäre, aber Daniel hatte verstanden, was alles schiefgehen konnte und auf was er als Chef zu achten hatte.
    Simon, sein Zweiter würde in diesem Jahr neunzehn werden und ein gutes Abitur machen. Dann würde er fort-gehen um zu studieren. Psychologie oder Medizin, hatte er bereits vor vier Jahren verkündet, und dieser Wahl war er bis heute treu geblieben. Simon war kein Geschäftsmann. Er hatte nie Interesse an der Firma gezeigt, sodass eigentlich schon immer klar gewesen war, dass Daniel das Geschäft übernehmen würde.
    Er greift nach dem Foto das rechts neben dem Bildschirm auf dem Schreibtisch steht. Es zeigt ihn mit seinen Kindern vor einem Skilift in Italien. Er und die Jungen hatten sich in einer Reihe aufgestellt. Miriam hatten sie alle drei getragen. Er hatte ihre Schultern gehalten, Daniel ihre Hüfte und Simon die Füße. Es sah so aus, als würde sie waagerecht vor ihnen schweben. Marion, seine zweite Frau, hatte fotografiert. Er stellt das Bild zurück.
    Zufrieden nickt er seinem PC zu. Ja, er könnte die Firma an Daniel übergeben. Wenn er in Schwierigkeiten geraten würde, wären all die Mühen der vergangenen dreißig Jahre bei seinem Sohn in guten Händen.
    Er lehnt sich in seinen schweren, ledernen Schreibtischstuhl zurück und blickt aus dem Fenster. Der asphaltierte Hof. Die eingezeichneten Parkbuchten für zehn LKWs, die beiden großen Kühlhäuser mit den Büros dazwischen, die eigene Dieselzapfsäule und nach links die Wiesen und das letzte alte Treibhaus.
    Die Wiesen waren früher Felder gewesen, auf denen sein Vater und zu Anfang auch er, Kohlsorten und später Salat unter Plastikplanen angebaut hatten. In den Treibhäusern hatten sie Setzlinge vorgezogen, sowohl für die eigenen Felder als auch für den Verkauf auf dem Wochenmarkt.
    Mit dem kleinen, roten Hanomagtraktor war er mit seinem Vater morgens um fünf Uhr los zum Wochenmarkt. Dann hatten sie ihren Stand aufgebaut und schon gegen sieben Uhr kamen die ersten Hausfrauen um sich die größten und kräftigsten Kohlsetzlinge zu sichern.
    Er hatte aus der einfachen Gärtnerei seines Vaters ein gesundes Unternehmen gemacht. Als Kohl in Treibhäusern vorziehen und auf den Feldern reifen lassen keine Gewinne mehr brachte und alle Kollegen klagten, da kann man ja besser nach Holland fahren und sich die Arbeit mit dem Anbau sparen, hatte er nicht nur geredet, sondern es getan. Zuerst hatte er Gemüse direkt an die Endabnehmer verkauft, war mit dem kleinen Lastwagen, für den er sich verschuldet hatte, jeden Morgen nach Holland rüber und anschließend die Wochenmärkte abgefahren. Dann hatte es ärger gegeben und die Konkurrenz hatte geschimpft: Du unterbietest ja die Großmarktpreise!
    Da war ihm die Idee gekommen. Da hatte er einen weiteren LKW gekauft und nach und nach war das Großmarktgeschäft angelaufen. Später hatte er auf Blumen umgesattelt und auch damit hatte er die Zeichen der Zeit erkannt. Die beiden ältesten Treibhäuser hatte er abgerissen, die Felder eingezäunt und Weideland daraus gemacht. Inzwischen hatte er es an seinen Nachbarn verpachtet. Seeberg züchtete Pferde und hielt die Wiesen in Ordnung.
    Er wendet sich wieder dem Bildschirm zu.
    Sein Unternehmen ist gesund. Er schreibt seit Jahren schwarze Zahlen. Die drei neuen LKWs laufen über Kredite und sein Geländewagen ist geleast. Aber alles andere ist sein Eigentum.
    Auch das, was er hier tut, die Preise überprüfen und Höchstgebote festlegen, konnte Daniel inzwischen genauso gut. Es war eher ein Ritual, als eine erforderliche Arbeit, die seine Person gebraucht

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