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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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passen.“
    Joop schiebt die Hände in die Taschen seiner weiten, orangefarbenen Leinenhose. „Wieso fährt einer nach Krefeld um zu sterben?“
    Böhm nimmt den letzten Schluck Kaffee aus der Tasse.
    „Wie verzweifelt muss man sein, wenn man irgendwo hinreist, um sich dort in einem seichten Gewässer zu ertränken? Diese Kraftanstrengung! Wo kommt diese Energie her, wenn man doch keinen Lebenswillen mehr hat?“
    Steeg spült den letzten Bissen des Brötchens mit Kaffee hinunter. „Vielleicht wollte er einfach nicht in Elten sterben. Egal wo, nur nicht in Elten!“
    Böhm lehnt sich in den Schreibtischstuhl zurück und verschränkt die Hände im Nacken unter dem grauen Haarkranz. Das schwarze Polo-Shirt spannt über der Brust.
    „Ja vielleicht. Wir werden es nicht herausfinden!“
    Er dreht sich seinem Bildschirm zu. „Aktuelles haben wir nicht. Heute Morgen hat es ein Feuer in Ness gegeben. Die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk sind noch vor Ort. Sieht nach erheblichem Sachschaden aus. Ein umgebauter Hof, der aber eher wie ein Sommerhaus genutzt wurde. Ist als Zweitwohnsitz angemeldet, auf einen Gustav Horstmann. Die Brandursache wird zurzeit geklärt.“
    Er beugt sich vor.
    „Ich bin ab zehn in der Staatsanwaltschaft zu erreichen. Es geht noch mal um die Beweislage im Fall Schuck. Die Becker meint, es reicht nur für eine Anklage auf Totschlag und der Rechtsanwalt will sich auf Totschlag im Affekt einigen.“
    Steeg springt auf.
    „Toll. Der hatte das geplant, das hat er doch zugegeben. Scheiße! Von wegen Totschlag im Affekt. Immer diese hinterfotzigen Spielchen von diesen Rechtsverdrehern.“
    Joop legt ihm eine Hand auf die Schulter und grinst ihn an.
    „Achim, reg dich nicht auf. Wir können es sowieso nicht ändern, ne!“
    Steeg sieht ihn einen Augenblick lang zornig an. Dann entspannt er sich.
    „Hau endlich ab. Mit deinem ollen Benz brauchst du doch mindestens zwei Stunden bis Krefeld!“

    4
    Eilig zieht er sich an. Wieder brüllt sie die Treppe herauf:
    „Frank, komm sofort herunter. Auf der Stelle!“ Sie ruft mit diesem hohen Ton, und er weiß, wenn sie noch einmal rufen muss, überschlägt sich ihre Stimme und das A in Frank wird zweistimmig wie bei einer Obertonsängerin.
    Barfuß, den Reißverschluss seiner Shorts auf der oberen Treppe schließend, läuft er ihr entgegen.
    „Das Feuer! Bei Horstmann! Sag mir nicht, dass du das nicht bemerkt hast! Warum hast du mich nicht geweckt?“
    Er sieht, dass sie unter dem Make-up zornesrot ist. Das hellblaue Leinenkleid hat er gestern erst gebügelt. Es wirft Spannfalten über den Hüften.
    „Ich wollte dir Bescheid sagen, aber du hast so fest geschlafen …“
    „Lüg mich nicht an! Du hast seelenruhig zugesehen und die Wäsche einfach hängen lassen. Komm mit!“ Sie stützt sich schwer auf den Gehstock und hinkt den schmalen Flur entlang in die Küche. Mit dem Ende der Krücke schiebt sie die Gardine zur Seite und funkelt ihn wütend an. Vor dem Küchenfenster hängen Bettlaken und Handtücher in traurigem Grau. Er senkt den Kopf.
    „Die habe ich von meinem Zimmer aus nicht gesehen.“
    „So eine gottverdammte Schweinerei!“ Sie lässt den Gummipfropfen ihres Stockes auf den Boden fallen. Die Gardine wackelt noch einen Augenblick unentschlossen über das Fensterglas. Dann hat sie ihren Faltenwurf gefunden und versperrt den Blick auf die mit Ruß verfärbte Wäsche.
    Frank setzt sich auf einen der massiven Küchenstühle mit ausgeschnittenem Herz in der Rückenlehne. Die Hände in den Schoß gelegt, starrt er die malvenfarbene Tischdecke an. Sie schimpft weiter: „Du Nichtsnutz …“
    Hie und da entdeckt er Fäden in dem Tuch, die blasser sind als andere, und auch welche, die fast lila glänzen. Er taxiert die Abstände der mangelhaften Stellen und versucht herauszufinden, ob es regelmäßige Fehler sind, oder ob sie wahllos auftauchen. In der Mitte des Tisches steht eine Menage. Er hebt sie an, um das Tischtuch auch an dieser Stelle zu inspizieren.
    „Du arbeitsscheuer Kerl. Die Wäsche kriege ich nie wieder sauber. Da rackert man sich ab, um den gnädigen Herrn Sohn durchzufüttern und du bist nicht mal in der Lage, die Wäsche abzunehmen.“
    Frank kann kein Muster in der Unregelmäßigkeit erkennen. Scheinbar weisen die Fäden nur sporadisch diese Farbfehler auf, wie Pigmentstörungen der Haut oder Leberflecken.
    Mutters Ton verändert sich, er bekommt jetzt diesen jammernden Singsang.
    „Das muss der Horstmann mir ersetzen.

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