Morgen ist der Tag nach gestern
gegangen. Auch damals hatte Maja auf dem Barhocker vor der Tür gesessen. Als er mit Jochen an ihr vorbei, auf diese Tür zuging, hatte sie ihn angewidert taxiert. In dem Raum hatten ein paar Sessel gestanden und ein großer Fernseher. Aber hier liefen andere Filme als vorne, bei den Wichsern.
Er atmet schnaubend aus.
Ihn hatte das geekelt, aber das hatte er Jochen nicht gesagt. Er hatte auch die Bilder in den Filmen wiedererkannt. Die Bilder, die er teuer bezahlt hatte, waren einfach nur Standbilder aus den Filmen gewesen.
Unten auf dem Gelände herrscht jetzt reges Treiben. Er schaut durch das Glas. Sie packen zusammen.
Wird auch Zeit, dass sie endlich verschwinden.
Mit Metallkoffern kommen sie heraus und gehen zu dem Transporter. Einer trägt eine große Rolle in Kunststofffolie eingewickelt. Sie gehen noch mal zurück. Zu zweit tragen sie ein Gestell. Auch das ist eingewickelt wie ein Bonbon in Zellophanpapier.
Wo holen die …? Aber das …!
Er stellt die Schärfe am Fernglas neu ein.
Oh, nein! Alles verbrannt.
Er hatte gesehen wie es gebrannt hatte. Lichterloh! Er hatte gehört wie die Decken eingebrochen waren.
Wieso …?
Er taumelt zurück und lässt sich auf den weißen Plastikstuhl fallen.
Sie haben das Bettgestell. Und die große Rolle!
Er weiß, was die große Rolle ist. Er beugt sich vor, legt beide Hände auf den Kopf, wiegt seinen ganzen Körper hin und her. Er muss jetzt nachdenken. Er braucht jetzt Ruhe.
Wenn der Keller nicht ausgebrannt ist? Wenn da alles noch da ist?
Er ist lange nicht dort gewesen.
Was war da, außer dem Bett, noch zurückgeblieben? Er muss nachdenken.
Das regt ihn auf. Die regen ihn auf!
Er presst die Augen auf das Fernglas. Wieder kommen sie hoch. Sie tragen große Taschen.
Er muss sich erinnern.
Er braucht jetzt ein Bier!
Er geht ins Zimmer und holt die Kühltasche unter dem Bett hervor. Bier darf er in der Küche im Kühlschrank nicht allzu viel aufbewahren. Mutter wird dann böse. Er zieht den Reißverschluss, um den Deckel der Kühlbox herum, auf. Vier Dosen sind noch da. Die Kühlelemente sind verbraucht. Auf den Dosen schimmern Wassertropfen. Kondenswasser. Das entsteht nur, wenn die Dosen nicht mehr richtig kalt sind. Er nimmt eine heraus. Kühl, aber nicht kalt. Wütend knallt er sie auf den Tisch. Unten, im Kühlschrank könnte er sie auf Eis legen.
Wenn er hier erst mal alleine wohnt. Mit großen Schritten geht er die Länge der Gaube ab. Wenn er hier alleine wohnt, wird alles anders. Dann bepflanzt er alle Hauswände mit Wein und Knöterich.
Sie haben das Bett.
Wilder Wein wird das ganze Haus umranken.
Sie haben die Matratze.
Er wird Spaliere bis zum Dachfirst bauen.
Was noch? Was haben sie noch gefunden?
Das ganze Haus grün. Nur die Fenster und Türen bleiben frei.
Der Computer! Jochen hat alles gelöscht.
Dann wird es sein wie früher, unter den Trauerbirken.
Auch die Letzte. Die, der ständig der Speichel aus dem Mund gelaufen ist. Die, die er immer hatte abputzen müssen. Für jedes neue Foto hatte er die abputzen müssen.
Er würde den Wind und den Regen in den Zweigen hören. Wie früher. Dieses feine Rauschen. Dieses sanfte Klopfen der Tropfen auf nachgiebigen Blättern.
„Mach der mal den Mund trocken“, hatte Jochen gesagt. „Ist ja ekelhaft!“ Und er war ihr mit einem Geschirrtuch, für jedes Bild aufs Neue, über den Mund gefahren. Sie hatte ordentlich ausgesehen.
Der Trauerbirkenplatz mit seinem kühlen Rauschen und den tanzenden Lichtstrahlen, wenn ein leichter Wind geht.
Die Fotos waren gut geworden. Jochen hatte die teuer verkauft. Vier Tage später war er wiedergekommen und hatte den Rest erledigt. Er hatte alles gelöscht.
Er reißt die Dose auf. Das Bier schäumt augenblicklich aus der Öffnung. Er schnappt mit dem Mund nach dem vorquellenden Schaum, saugt ihn ein und wirft die Metalllasche aus der Sichtluke in den Hof.
Er muss ruhig bleiben! Er darf da auf keinen Fall mit reingezogen werden.
Mutter wird böse werden, wenn sie davon erfährt. Du bist gutgläubig, wird sie schimpfen. Das habe ich dir immer gesagt, wird sie schimpfen. Und sie wird immer wieder von vorne anfangen.
Drei, manchmal vier Tage. Länger hatte er die Mädchen nicht gehabt. Die müssen weg, hatte er gesagt. Und Horst-mann, das wusste er damals noch nicht, hatte zu Jochen gesagt: Lass das den Frank machen.
Mutter hat ja Recht! Er war einfach zu gutgläubig.
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Nach etlichen Vormittagen im Kronenstübchen duzten wir uns. Grefft
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