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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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hatte diese überhebliche, weltmännische Art. Er trug eine goldene Panzerkette am Arm, die bei jeder Handbewegung gegen die breite Uhr schlug. Ich fragte ihn, wovon er lebe und er sagte kurz: Geschäfte. Dieses und jenes
.
    An jenem Morgen, es war der vierzehnte Februar, bot er mir an, abends mit ihm ins „Livingroom“ zu kommen. Ich lehnte ab. Ich wollte auf keinen Fall auf Yildiz treffen
.
    Der Kaffee ist inzwischen kalt geworden. Er muss schlafen. Er muss dringend ein paar Stunden schlafen.
    Yildiz hatte sich in der ganzen Zeit nicht gemeldet. Er hatte sich auf sich allein gestellt gesehen, hatte sogar darüber nachgedacht, seine Söhne ins Vertrauen zu ziehen. Sie zu bitten, stundenweise die Überwachung von Grefft zu übernehmen. Er erinnert sich an die Erschöpfung, die nach diesen Wochen regelmäßiger Beschattung in ihm gewohnt hatte, diese hohle Einsamkeit. Eine Luftblase, die mit jedem Atemzug größer wurde.
    Welche Rolle spielte Yildiz, und welche Rolle hat er mir zugedacht? Warum hatte er mich angesprochen? Wie passte das alles zusammen?
    An diesem Abend folgte ich Grefft nicht. Ich wusste er würde im „Livingroom“ sein und ich brauchte dringend Schlaf. Es war mein Sohn Simon, der mich am nächsten Tag darauf aufmerksam machte. Seit Tagen, sagte er, stehen immer wieder verschiedene Autos in der Straße. Wirst du jetzt überwacht? Glauben die denn immer noch, dass du …?
    Mir war sofort klar, dass das nicht die Polizei war. Yildiz! Und plötzlich hatte ich Angst um meine Söhne. Ich hatte gedacht, ich hätte nichts mehr zu verlieren. Aber als ich aus dem Schlafzimmerfenster im ersten Stock auf die Straße blickte, konnte ich nur noch an Simon und Daniel denken. Yildiz! Ich entschied mich, die Dinge in die Hand zu nehmen und rief ihn an. Er leugnete keine Sekunde. Du spielst ein gefährliches Spiel, sagte er
.
    Wir trafen uns am Mittag in einem kleinen italienischen Restaurant. Als ich ankam, war er bereits da. Er war nicht allein. Drei weitere Männer saßen mit an dem Tisch
.
    Yildiz begrüßte mich freundlich und stellte mir die Männer vor. Er fragte mich, ob ich was essen wolle oder trinken. Ich nahm einen Espresso und wartete ab
.
    Dann endlich kam er zur Sache. „Was tust du?“, fragte er
.
    Er lehnt sich zurück, lässt den Montblanc-Füller über die rechte Handfläche rollen. Vor und zurück. Er erinnert sich, dass er in dem Augenblick seine Beherrschung verloren hatte. Nicht nach außen, er war ganz ruhig sitzen geblieben, aber in ihm war kalter Hass gewesen. Eine schneeweiße, berechnende Ruhe. Zum ersten Mal hatte er gespürt, dass er bereit war weit zu gehen. Weiter als er sich je vorgestellt hatte. Wie ein kurzes Durchbrechen einer Wand war es ihm vorgekommen. Und so als läge hinter dieser Wand ein anderer Tag. Eine farblose Zeit, unsichtbar und weit, mit einem weißen Himmel so hoch, dass man hinausfällt aus den Zusammenhängen. Sätze sind dann Worte und Worte Buchstaben. Alles zerlegt sich ins Kleinste und verliert seine Bedeutung.
    Ich habe ihm die Frage zurückgegeben. „Und du? Was machst du?“
    „Wir haben ihn!“, sagte er kurz. „Ich habe mich mit ihm angefreundet. Aber du gehst offensichtlich eigene Wege und kannst uns alle gefährden.“
    Ich sagte es ihm auf den Kopf zu. „Ich habe dich gesehen, Yildiz. Ich habe dich mit ihm und seiner Freundin im ‚Livingroom’ gesehen.“
    „Wessel! Was denkst du?“ Er hat mich mit großen Augen angesehen. Dann schüttelte er ungläubig den Kopf. „Ach, Scheiße. Das denkst du nicht wirklich.“
    Ich wurde unsicher. Er sagte: „Ich habe dich fast jeden Vormittag mit ihm gesehen. In dieser Kneipe. Ich weiß, dass du das Gleiche machst, was ich auch gemacht habe, oder?“
    „Warum hast du dich nicht mehr gemeldet? Und wer sind diese Männer?“ Sollte ich mich wirklich geirrt haben?
    „Freunde! Freunde, die mir helfen. Ich habe mich nicht gemeldet, weil ich nichts hatte außer unserem Verdacht. Aber jetzt haben wir mehr. Grefft will nach Hannover. Er hat gesagt, er bereitet ein neues Geschäft vor. Er hat offensichtlich regelmäßig Kontakt zu einem gewissen Horstmann. Wir glauben, dass Grefft von ihm die Informationen bekommt.“
    Er bat mich, Grefft ihm zu überlassen und mich um Horstmann zu kümmern
.
    Ich habe mich darauf eingelassen. Nicht zuletzt, weil mir klar war, dass ich nicht an Grefft dranbleiben konnte, jedenfalls nicht allein. Die Dinge, dachte ich mir, würden ihren Gang gehen. Und wenn Yildiz wirklich

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