Morgen ist der Tag nach gestern
Polizei ermittelt … Blah, blah, blah. Die wussten nichts Neues, das hatte er sofort erkannt. Ihn konnten sie nicht täuschen mit solchen Meldungen.
Das Gewitter war vom Reichswald her aufgezogen. Er hatte es erst bemerkt, als es schon über dem Haus war und sich vor die Sonne geschoben hatte.
Er hebt die Füße aus dem schlammigen Boden. Ein schmatzendes Geräusch entsteht.
Er geht zum hinteren Ende des Gartens in den Geräteschuppen, holt einen Hammer und eine Schüssel. Mit kleinen, vorsichtigen Schlägen treibt er die Spalierhölzer zurück in den Boden. Die Erschütterung spritzt ihm feuchte Erde auf die Beine. Die Wurzeln der Bohnen sind zum Teil rausgerissen. Mit den Händen schaufelt er Löcher in den Schlamm und drückt sie in die Erde zurück. Die Hände wischt er sich am T-Shirt ab.
Dann sammelt er die Tomaten auf. Sie sind noch nicht gut. Sie hätten noch ein, zwei Tage gebraucht. Jetzt haben sie Wunden. Tiefe, erbärmliche Platzwunden. Er fährt mit dem Finger über die aufgeplatzte Tomatenhaut. Mit diesen Wunden können sie auch auf der Fensterbank nicht nachreifen. Sie werden faulen. Er muss heute Abend Tomatenbrote machen. Er könnte einen Kräuterquark dazu anrühren.
Vorsichtig sieht er hinüber zum Kräutergarten. Auch da gibt es Schäden, aber bei weitem nicht so schlimme. Hier haben die schweren Regentropfen die Erde auf die Kräuter gespritzt. Sie sind verdreckt, aber das kann er abwaschen. Ein Teil der Kresse ist ein bisschen zerdrückt. Wenn er sie heute Abend verwendet … Mutter wird sagen, er habe sich mit dem Essen keine Mühe gegeben.
Er stellt den Korb beiseite und hebt den Hammer auf. Er schwingt ihn hin und her. Soll sie doch rumjammern, diese alte Hexe. Abrupt hält er inne. Nein! Nein, das hat er nicht gesagt! Das hat er nicht gemeint. Nicht wirklich. Das ist ihm so rausgerutscht.
Als er den Hammer in den Schuppen zurückbringt, schaut er hinunter zum Bach. Noch vor zwei Stunden war er fast ausgetrocknet und jetzt hört er ihn rauschen und springen. Er blickt hinüber zu den Trauerbirken.
Was, wenn auch dort alles aufgeweicht ist? Was wenn …?
Er geht den kleinen Weg hinunter. Das Singen und Lachen des Baches wird lauter, übermütiger. Er hört das gerne. Aber er geht nicht mehr an den Bach. Daran sind auch Horstmann und Jochen Schuld.
Er muss beim Waschen der Tomaten aufpassen.
Die langen Fadenäste der Trauerbirken reichen bis zum Boden. Bewegungslos hängen sie herab, wie langes dichtes Mädchenhaar. Dahinter sind die Zimmer.
Wenn Wasser in die aufgeplatzten Stellen eintritt, verlieren sie an Geschmack.
Früher waren das seine Zimmer, aber jetzt …!
Er schiebt die Äste des ersten Baumes auseinander. Der Boden ist nass, aber nicht so aufgewühlt wie seine Beete. Er atmet auf.
Sie schmecken dann wässrig. Wie diese Supermarkttomaten. Er zieht die Mundwinkel herunter. Widerlich!
Jochen hatte am Telefon gesagt: Wenn du sie loswerden willst gib ihr zehn von den Pillen auf einmal. Mach da jetzt nicht so eine Nummer von.
Im Winter kauft er manchmal diese Supermarkttomaten. Mutter erlaubt ihm kein beheiztes Treibhaus. Zu teuer.
Jochen hatte das mit Horstmann verabredet. Die hingen ständig zusammen. Nicht in seiner Gegenwart. Oh nein, das hatten sie sorgsam vermieden. Immer ohne ihn. Aber er wusste es trotzdem.
Zu teuer, sagt Mutter. Ein beheiztes Treibhaus ist eine teuere Spielerei, sagt sie.
Wenn es nicht so gewesen wäre, warum hätte Horstmann Jochen vor drei Tagen wohl reingelassen? Aber da hatte sie das Feuer erwischt. Tja! Pech gehabt.
Wenn die Tomaten heute in einem Treibhaus gestanden hätten wären sie heile geblieben.
Er hatte ihr zehn Tabletten gegeben. Er hatte da keine Nummer von gemacht. Er hatte das nicht gewollt. Jochen hatte es so verlangt.
Dem Salat wäre in einem Treibhaus auch nichts passiert.
Dann hatte er den ganzen nächsten Tag abgewartet. Immerzu hatte er oben in seiner Gaube gestanden und mit dem Fernglas das Kellerfenster beobachtet.
Er muss ein Treibhaus bauen. So etwas Schreckliches durfte auf keinen Fall noch einmal passieren.
Er hatte gedacht, am Abend würde Jochen kommen und die wieder mitnehmen. Schließlich hatte er sie ja auch hergebracht.
Er würde nachher mit Mutter reden. Er würde ihr die verletzten Tomaten zeigen. Sie musste das doch einsehen!
Jochen kam nicht, aber Horstmann rief an. Übers Wochenende kämen Freunde vom ihm nach Kleve. Sie würden das Haus für ein paar Tage bewohnen. Nur damit er Bescheid
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