Morgen ist der Tag nach gestern
eingeschickt. Aber das dauert noch ein bisschen.“
Böhm nickt ihm dankbar zu. Bongartz wusste genau was zu tun war und nahm die Dinge auch in die Hand. Er sicherte sich nicht erst hundert Mal ab, wie das inzwischen üblich geworden war. Er kannte den Faktor Zeit in solchen Ermittlungen ganz genau. Und wenn er wirklich mal eine Untersuchung angeordnet hatte, die eigentlich nicht erforderlich gewesen wäre, dann nahm er das auch auf seine Kappe.
„Nun zu den Tablettenresten, die Bernd in dem Keller sichergestellt hat.“ Er wechselt einen kurzen Blick mit Bernd Lembach.
„Es handelt sich um Diazepam. Gehört zu den Benzodiazepinen. Wird in erster Linie zur Behandlung von Epilepsie, Angstzuständen und als Schlafmittel eingesetzt. Es führt zu einer Reduktion des Skelettmuskeltonus. Es macht schläfrig und schlapp, um es mal einfach auszudrücken. Der Wirkstoff kam Anfang der sechziger Jahre unter dem Namen Valium auf den Markt.“
Böhm lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Ich gehe mal davon aus, dass das rezeptpflichtig ist.“
Bongartz nickt und sieht ihn resigniert an. „Ja, aber es ist in der Drogenszene sehr beliebt und reichlich auf dem Schwarzmarkt vorhanden.“
Es entsteht eine kleine Pause. Der Regen fällt jetzt sacht. Der Abfluss der Dachrinne neben dem Fenster gurgelt überfordert.
Böhm spürt einen kurzen Schwindel. Er fährt sich mit beiden Händen durch den grauen Haarkranz. Seit über dreißig Stunden ist er nun auf den Beinen. Die Müdigkeit zerrt an seinen Gedanken, bricht sie ab, ehe er sie zu Ende gedacht hat.
Er sieht in die Runde. Auch Joop hat die Nacht durchgearbeitet. Und Steller. Und Lembach. Sie sollten eine Pause einlegen. Ein paar Stunden schlafen.
Er bittet Lembach um seine Ergebnisse. Lembach ist ohne Unterlagen gekommen. Was es an Spurenauswertungen gibt, hat er im Kopf. Darauf kann Böhm sich verlassen. Bongartz hatte einmal im Scherz gesagt: Wozu sollen wir eigentlich diese Berichte schreiben. Wenn wir es Lembach erzählen, haben wir es doch bestens archiviert.
„Wir haben die Daten des PCs, der oben in der Wohnung stand. Es waren nur noch Teile der Festplatte zu rekonstruieren. Was an Internetzugriffen überprüfbar ist, ist sauber. Jede Menge Fingerabdrücke auf dem Bettgestell und auf der Barbiepuppe. Wir kriegen Vergleichsmaterial von den Mädchen über das BKA. Im Zuge der damaligen Fahndungen sind die gesichert worden. Wir konnten drei verschiedene Abdrücke ausmachen. Vergleichmaterial von Horstmann haben die Kollegen in seiner Düsseldorfer Wohnung genommen. Wir haben zwar welche aus seinem Wagen, aber sicher ist sicher. Sie müssten bis heute Abend übermittelt sein. Dann kann ich sagen, ob er das Bett oder die Puppe angefasst hat. Anhand unserer Abdrücke aus dem Auto jedenfalls nicht.“
Böhm nimmt die Brille ab, hält sie an den Enden der Bügel fest und lässt sie auf und nieder wippen. „Was ist da los?“
Lembach schüttelt den Kopf. „Wie gesagt, ich gehe auf Nummer sicher und warte auf Nachricht aus Düsseldorf. Aber ich glaube nicht, dass das Ergebnis sich ändert. Wir gehen davon aus, dass Horstmann nicht in dem Keller war.“
Steeg wirft seinen Kugelschreiber auf den Tisch.
„Also kann ich mal was fragen? Geht es hier eigentlich um die Brandstiftung oder arbeiten wir hier an organisierter Kindesentführung. Ich meine … Wir sollen den Mörder von Horstmann finden, oder? Das zweite ist doch eher ein Fall fürs BKA.“ Er sieht Sabine Ecks herausfordernd an.
Böhm setzt seine Brille wieder auf.
„Wir suchen nach einem Motiv, Achim. Und das, was offensichtlich in diesem Haus passiert ist, ist ein überaus denkbares Motiv. Ich glaube, wir können die Fälle nicht unabhängig voneinander bearbeiten. Außerdem arbeiten wir ja intensiv mit dem BKA zusammen.“ Böhm nickt Sabine Ecks zu. „Frau Ecks hat angeboten uns auch in den nächsten Tagen zur Verfügung zu stehen.“ Sabine Ecks nickt kurz.
Lembach schaltet sich ein. „Lasst mich bitte erst noch zum Ende kommen. Ich habe noch was zu den Reifenspuren auf dem Wirtschaftsweg. Es gibt keine brauchbaren Abdrücke, aber wir können zumindest sagen, dass es ein schwerer Wagen mit breiten Reifen war. Wir gehen von einem Geländewagen aus.“
„Sagt mal …“, Bongartz hält einen Augenblick inne. „Geht hier irgendjemand davon aus, dass die Mädchen noch leben?“
Es hat aufgehört zu regnen. Am Horizont zeigt sich schon wieder neues Blau. Der Wind hat nachgelassen. Wenn die Sonne
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