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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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hinüber, der an der Fensterbank lehnt. Er starrt vor sich hin.
    „Was ist los Joop?“
    Der Holländer hebt abrupt den Kopf.
    „Ich bin wohl beeindruckt“, sagt er tonlos.
    Dann sieht er Sabine Ecks an. „Haben wir Zugang zum Fall Miriam Wessel?“

    48
    Mittags rief Beerbaum, mein Nachbar, an. Er kaufte bei mir den Diesel für seinen Trecker. Ob er vorbeikommen könne. Ich sollte um dreizehn Uhr bei Horstmann sein und hatte es eilig. Ich füllte drei Kanister und stellte sie ins Auto. Auf dem Rückweg wollte ich sie ihm vorbeibringen
.
    Am späten Abend, es muss so gegen neun gewesen sein, kam Horstmann. Er stellte seinen Wagen in die Garage und ging ins Haus. Ich rief Yildiz an. Er sagte, auch Grefft sei unterwegs in Richtung Kleve. Eine Viertelstunde später parkte er seinen Wagen am Straßenrand. Ich hatte meinen Wagen inzwischen auf einem Wirtschaftsweg hinter Horstmanns Grundstück abgestellt
.
    Er hält inne. Bald ist es geschafft. Er hat seit drei Tagen nicht geduscht, sich nicht rasiert, sich nicht umgezogen. Er blättert die letzte Seite um. Die Kästchen verschwimmen.
    Er erinnert sich an das Rosa und blasse Lila, das die untergehende Sonne über den Reichwald geschüttet hatte. Er erinnert sich an die Taubheit in seinem Kopf. Plötzlich hatte er Angst gehabt. Eine Angst, die das Herz nicht antreibt und schneller werden lässt, sondern den Schlag verlangsamt und den Körper zusammenzieht. Er hatte Angst gehabt, vor dem, was er erfahren könnte. Vor dem, was er finden könnte.
    Kurz nach Grefft hielt in einiger Entfernung ein weiteres Auto. Yildiz und zwei seiner Männer stiegen aus. Grefft ging auf das Haus zu und schellte. Horstmann öffnete. Die beiden standen im Bogen der Eingangstür und schienen zu streiten. Wir konnten nicht hören, was gesprochen wurde, aber es sah so aus, als wolle Horstmann Grefft nicht ins Haus lassen
.
    Yildiz gab ein Zeichen und wir gingen die Auffahrt hinauf zum Haus. Ganz selbstverständlich. Mit gemessenen Schritten. Als wir die beiden Männer im Torbogen erreichten, erkannte Grefft zuerst Yildiz und dann mich
.
    Horstmann fragte: Was geht hier vor? Aber in dem Augenblick schubsten wir die beiden schon ins Haus und schlossen die Tür. Grefft stammelte: Was soll das? Mann, Yildiz, was soll das denn
?
    Yildiz zog eine Waffe. „Die Mädchen? Wo sind die Mädchen? Was habt ihr mit ihnen gemacht
?“
    Horstmann leugnete. Er wisse von nichts. Er behauptete sogar, Grefft heute zum ersten Mal zu sehen
.
    Sie schlugen auf ihn ein. Er leugnete weiter. Yildiz hielt ihm die Waffe an die Stirn und zählte die Namen auf. Bahar Ibn Zaid, Rojin Ali Joki, Miriam Wessel, Saida Demir
.
    Einige der Namen, ja! Einige würde er kennen
.
    Wo sind sie, brüllte ich ihn an. Wo ist meine Tochter
?
    Ich schlug ihm ins Gesicht. Wieder und wieder. Aber er leugnete weiter
.
    Yildiz nahm sich Grefft vor. Und der schrie schon nach dem ersten Fausthieb: Im Keller
.
    Er sieht hinaus. Der Nachthimmel steht hoch.
    Er erinnert sich, wie er den Zugang zum Keller gefunden und die Treppe hinunter gerannt war. Mit jeder Stufe, so schien es ihm, löschte er ein Stück seiner vergeblichen Suche aus. Stufe für Stufe zurück, bis zu jenem 20. Juni 2001.
    Wie ein Wahn kommt es ihm heute vor, aber er war fest davon überzeugt gewesen seine Tochter in einem dieser Keller so vorzufinden, wie sie vor zwei Jahren das Haus verlassen hatte.
    Ich rief ihren Namen. Ich riss jede Kellertür auf. Ich dachte: Tagelang habe ich vor diesem Haus gestanden. Nur einen Steinwurf von meinem Kind entfernt. Ich fand den Raum
.
    Ein Bettgestell, ein PC, ein Drucker. Gekalkte, fleckige Wände. Ein Geruch nach Urin, Exkrementen und abgestandener Feuchtigkeit
.
    Seine Hand zittert. Er legt den Füller zur Seite, lehnt sich zurück. Ein Schwindelgefühl überkommt ihn. Er atmet gierig ein, versucht sich zu beruhigen.
    Er erinnert sich an den langgezogenen Ton, der in seinen Kopf gefallen war. Der Schrei, der in ihm gewohnt hatte, all die Zeit. Wie der Schrei einer Möwe über ruhigen Gewässern. Der Schrei, der sich auf dem Wasserspiegel ausbreitet und bis auf den Grund des Meeres sinkt.
    Vielleicht war es sein Schrei gewesen. Vielleicht hatte er geschrien. Er weiß es nicht mehr.
    Aber er weiß noch, dass eine Stille folgte. Eine gefrorene, schneeweiße Stille.
    In diesem Keller habe ich beschlossen, sie zu töten
.
    Dann fielen Schüsse. Ich lief hinauf. Horstmann lag auf dem Boden. Blut sickerte aus seinem Schädel. Grefft lag am

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