Morgen ist der Tag nach gestern
anderen Ende des Raumes, ein Bein auf unnatürliche Weise vom Körper weggedreht
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Ich fragte Yildiz, was sie gesagt hätten. Wo ich meine Tochter finden könne? Er schüttelte stumm den Kopf. Dann sagte er, wir müssen die Leichen verschwinden lassen
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Die Leichen waren mir egal. Ich wollte diesen Ort vernichten. Diesen Ort, an dem meine Tochter gelitten hatte. Mir fiel der Diesel in meinem Wagen ein
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Wir holten ihn, verteilten ihn im ganzen Haus und brachten die Kanister zurück zum Wagen. Yildiz beauftragte einen seiner Männer, das Auto von Grefft zurückzubringen und die Schlüssel in den Briefkasten zu werfen. Er händigte ihm ein Flugticket aus. Zusammen mit dem zweiten Mann ging er zu seinem Wagen, als ich ihn noch einmal zurückrief
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Ich fragte ihn, warum er mich damals angesprochen hat. Er zögerte keinen Augenblick. „Ich dachte, du hättest mehr Informationen und könntest mich über die polizeilichen Ermittlungen auf dem Laufenden halten.“ Er lächelte. „Ich habe schnell gemerkt, dass dem nicht so war. Aber dann warst du dabei, und als du dich an Grefft rangehängt hast, konnten wir dich wohl nicht mehr loswerden.“ Sie fuhren davon
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Ich blieb zurück. Minutenlang habe ich auf dieser Terrasse gestanden. Dieselgeruch strömte aus dem Haus. Dann hörte ich ein Stöhnen. Auf der Terrasse, neben dem Grill stand eine Flasche Spiritus. Ich schüttete ihn in die Dieselspur und zündete ihn an. Der Diesel war warm und das Feuer breitete sich schnell aus
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Greffts Schreie hatten unter dem Lodern und Knistern des Feuers gelegen. Er hatte sie gehört. Ohne Genugtuung, ohne Bedauern. Nichts! Sie waren durch ihn hindurchgeweht wie eine leichte Brise durch einen winternackten Baum.
Er greift noch einmal nach dem Foto auf seinem Schreibtisch. Dieses Foto aus seinem fremden Leben. Miriam schwebend. Getragen von Vater und Brüdern. Er betrachtet es und empfindet nichts. Er hat sich entfernt. Endgültig entfernt.
Der Mittelpunkt der Erde hatte sich verschoben und er hat zwei Jahre lang versucht, sie im Gleichgewicht zu halten. Mit Hilfe seines Verstandes. Mit Vernunft und Logik.
Er legt die Seiten des Rechenheftes um, blättert noch einmal auf die ersten beiden Seiten zurück. Er betrachtet die fein gemalten Zahlen und findet die Aufgabe mit dem roten „f“ der Lehrerin. Noch einmal hört er sich sagen: Und wenn man logisch denken kann, kann man alle Probleme meistern!
Zwölf mal sechs ist zweiundachtzig. Er nimmt seinen Füller und streicht das rote „f“ durch.
49
Es ist kurz nach Mitternacht. Sabine Ecks hatte sich in Richtung Wiesbaden auf den Weg gemacht. Besser nachts auf freien Autobahnen zügig durchkommen, als morgen früh in etlichen Staus stehen.
Sie würde sich weiter um Grefft kümmern. Die Duisburger Kollegen hatten dessen Luxuswohnung durchsucht und jede Menge kinderpornographischer Aufnahmen sichergestellt. Ebenso eine Liste von Sexshops in ganz Deutschland. Sie ging davon aus, dass Grefft in all diesen Läden seine Bilder verkauft hatte.
Die Fingerabdrücke auf dem PC waren von Grefft. Und auch auf dem Bettgestell hatten sie welche zuordnen können. Der Abgleich war schnelle Routine gewesen. Das hatte Lembach noch rein gegeben, bevor er gegangen war. Obwohl sie alle nicht so recht daran glaubten, wollte Sabine Ecks überprüfen, ob Grefft auch in den Auslandsentführungen eine Rolle gespielt hatte.
Sie würden sich gegenseitig auf dem Laufenden halten. Böhm und van Oss hatte sie zum Abschied die Hand gedrückt. Für Steeg hatte sie nur ein distanziertes Kopfnicken übrig gehabt.
„Was hast du ihr getan?“ Joop nimmt die Kaffeekanne aus der Maschine und lässt sie voll Wasser laufen.
„Pöh!“ Steeg verdreht die Augen. „Ich hab der gar nichts getan. Eine hochnäsige Zicke ist das. Ich lass mich nicht gerne rumkommandieren, das ist alles!“
Böhm lächelt vor sich hin. Er hat eine Ahnung, wie die Zusammenarbeit der beiden ausgesehen haben muss. Steeg mit seiner sturen, misstrauischen Art und Sabine Ecks hinter einem Schutzschild kühler Professionalität.
Joop gießt das Wasser in die Kaffeemaschine und schüttelt den Kopf.
„Ich find sie wohl nett! Was hat sie dir denn getan?“
Sofort bollert Steeg los: „Schon klar Sunnyboy. Du fällst auf alles herein, was ein bisschen mit dem Hintern wackelt. Aber ich kann diese selbstgefälligen Karriereweiber nicht ab. Und jetzt ist die – Gott sei dank – weg, und wir können endlich vernünftig arbeiten.“
Joop
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