Morgen komm ich später rein
Economy«, gelten Geschäftsmodelle fürs Internet
allgemein wieder als sexy. Das neue Neue Establishment trägt immer noch keinen Schlips. Vor allem aber sind die extravaganten
Spielzeuge und die leicht vulgäre aber lustige Technikangeberei der frühen Jahre wieder da: Auf dem Gelände der Google-Zentrale
gibt es neben kostenloser Eiscreme und Massagen auch digitale Toiletten, auf denen sich Sitztemperatur und Wasserdruck per
Fernsteuerung regeln lassen. Dass Google-Mitarbeiter sich auf diesem Campus wohl fühlen, darum länger arbeiten und weniger
Wert auf Freizeit legen, liegt auf der Hand. Warum Google dennoch ein vorbildliches Unternehmen ist, das die Kreativität seiner
Mitarbeiter stimuliert, indem es ihnen erhebliche Freiheiten einräumt, sehen wir in Kapitel 10. Was uns zunächst interessieren
soll, ist die Frage zweier verblüffender Kontinuitäten.
Erstens: Egal, ob Gänsekiel oder Kopierpresse, Schreibmaschine oder Kaffeevollautomat – Büroausstattung dient immer nur einem
Zweck: der Erhöhung der Produktivität der Mitarbeiter. Obstkorb, Massageliege und Kickertisch bilden da keine Ausnahme. Der
Arbeitgeber wird diese Investition nur tätigen, wenn er als Gegenwert eine nachweisliche Steigerung des Outputs erwarten kann.
Dass die längere Anwesenheit im komfortableren Büro aber letztlich weder der Kreativität noch der Motivation zuträglich sind,
sehen wir später.
59
61
59
61
false
|59| Der Boss im Batman-Kostüm und der Pool im Büro
Was genau bedeutet das eigentlich: Spaß am Arbeitsplatz? Ist der gute alte Bürohumor gemeint, der die Menschen früher dazu
animierte, kopierte Sprüche an die Pinnwand zu heften, wie den Klassiker: »Hetzen Sie mich nicht. Ich bin auf der Arbeit,
nicht auf der Flucht«? Oder ist es der neue, leicht spießige E-Mail-Humor, der mit Vorliebe ältere Kollegen dazu bringt, endlos
weiterklickbare Powerpoint-Charts herumzuschicken, auf denen dann in kruder Typografie und mit »amüsanten« Fotos eine meist
lasche Pointe transportiert wird? Sind es die Youtube-Filme, die sich Kollegen gemeinsam anschauen und dabei Stunden an Arbeits-
und – in der Konsequenz – auch Freizeit vernichten? Ist es vielleicht gar der Insiderhumor, der sich in absurden übersteigerten
Business-Persiflagen wie »Powerpoint-Karaoke« äußert oder – laut den Machern der an solchen Themen stets interessierten Website
www.riesenmaschine.de – in synchronem Rotieren auf Drehstühlen, Flash-Mobbing am Wasserspender, Morsen mit der Schreibtischlampe
und Klingelton-Jam-Sessions?
Humor am Arbeitsplatz haftet oft etwas leicht Muffiges, manchmal Verzweifeltes, immer irgendwie Zerstreutes an. Haben diese
Menschen denn nichts Besseres zu tun? Müssen sie nicht entweder tatsächlich arbeiten oder – falls nein – wollen sie nicht
lieber nach Hause gehen? Verordneter Spaß im Büro ist einer der großen Zeitvernichter der Neuzeit und ein Feind der Easy Economy.
Doch er ist auch ein Markt: Die amerikanische Business-Zeitschrift
Inc.
widmete Ende 2007 eine Sonderausgabe dem Phänomen »Fun«. Titelzeile: »Spaß ist der neue Grundwert«. Eine ganze Industrie sei
entstanden, die Unternehmen spielerische Motivationshilfen organisiert, von Kochklassen über Improvisationstraining bis zu
Trommelkursen. »Spaß zieht nicht nur Mitarbeiter an, er hilft ihnen auch, die Firmenkultur kennen zu lernen«, so
Inc.
Der Profit, den Lego-Baukästen, Riesenrutschen, Filmnächte und Kostümfeste im Büro erwirtschaften, sei nicht immer zu quantifizieren.
Aber
Inc.
hat 300 Manager amerikanischer Unternehmen interviewt, die angeblich einen Großteil ihrer Innovationskraft aus dem Faktor
Spaß ziehen. |60| Da ist der Chef einer medizinischen Beratungsfirma mit 76 Millionen Dollar Jahresumsatz, der eine Kundenpräsentation im Batman-Kostüm
hielt, weil er eine Wette verloren hatte. Oder das Software-Unternehmen, das einen besonders großen Auftrag abzuarbeiten hatte
und allen Mitarbeitern die Überstunden versüßte, indem es die Fernsehserie
Survivor
nachahmen ließ, mit Zelten im Konferenzraum und martialischen Kopftüchern. Oder der Swimmingpool-Hersteller, auf dessen Gelände
20 Prozent der Fläche für Freizeitaktivitäten reserviert sind: für Volleyball- und Basketball-Plätze, vier von den Mitarbeitern
selbst dekorierte Schlafräume und – natürlich – mehrere Swimming-Pools.
Doch das Magazin warnt auch davor, eine miese Unternehmensmoral mit
Weitere Kostenlose Bücher